Fünf Tage vor der entscheidenden Abstimmung im Bundestag kommt Bewegung in den Streit um die Schuldenpakete von Union und SPD. Die möglichen künftigen Koalitionäre greifen in einem Änderungsantrag zum eigenen Gesetzentwurf zentrale Kritikpunkte der Grünen auf. Sie schlagen nun vor, einen Teil des geplanten 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Infrastruktur in den Klimaschutz zu investieren. Bis zu 50 Milliarden Euro könnten demnach in den Klima- und Transformationsfonds überwiesen werden. Zudem wird als Ziel des Sondervermögens neben der Infrastruktur explizit auch der Klimaschutz genannt.
„Das ist ein sehr konkretes Angebot auch an Sie, weil Sie ja völlig zurecht in den letzten Tagen auch darauf hingewiesen haben, dass dieses Geld auch für den Klimaschutz zur Verfügung stehen muss“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz während der Sondersitzung des Bundestags in Richtung der Grünen-Fraktion. Wiederholt umschmeichelte Merz die Grünen, bedankte sich für „außerordentlich gute, vertrauensvolle Gespräche“ und nahm wiederholt das Wort „Klimaschutz“ in den Mund. „Wir nehmen die Aufgabe Klimaschutz außerordentlich ernst, denn es möge niemand bestreiten, dass wir ein sehr großes Problem zu lösen haben“, kommentierte Merz das Gejohle der AfD-Fraktion ob dieses Zugehens auf die Grünen.
Auch bei der geplanten Änderung der Schuldenbremse bei den Verteidigungsausgaben kommen CDU/CSU und SPD den Grünen entgegen. „Wir haben einen Änderungsantrag heute eingebracht, dass wir nicht nur Verteidigungsausgaben, sondern auch Ausgaben des Bundes für den Zivilschutz und den Bevölkerungsschutz einbeziehen, außerdem die Ausgaben für die Nachrichtendienste“, sagte Merz.
Die Grünen hatten diesen erweiterten Sicherheitsbegriff als Voraussetzung für ihre Zustimmung genannt. Alle Ausgaben oberhalb von einem Prozent der Wirtschaftsleistung sollen von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Die Grünen fordern allerdings eine Grenze von 1,5 Prozent. Am Ende seiner Rede fragte Merz die Grünen: „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr, als das, was wir Ihnen jetzt in den Gesprächen der letzten Tage vorgeschlagen haben?“
Union und SPD brauchen für Änderungen an der Schuldenbremse und für das Sondervermögen eine Zweidrittelmehrheit und sind dabei auf die Stimmen der Grünen angewiesen, denn es muss das Grundgesetz geändert werden. Seit Tagen streiten beide Seiten über die Vorhaben.
Harte Schelte von Dröge
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge rechnete in ihrer Antwort mit Merz ab: „Ich habe darauf gewettet, dass Sie hier vor dem Deutschen Bundestag stehen würden und sagen würden ‚Ich habe neue Erkenntnisse. Die Weltlage ist eine andere. Auf einmal sehe ich ein, dass die Schuldenbremse reformiert werden muss – zufällig zu dem Zeitpunkt, wo ich selber Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden möchte'“, sagte Dröge. So schnell habe aber auch sie nicht damit gerechnet.
„Die Bürgerinnen und Bürger müssen erkennen, dass das Ihr Politikprinzip ist: nicht immer ehrlich zu sein, nicht immer die Wahrheit zu sagen“, sagte Dröge. Ob die Zugeständnisse im veränderten Gesetzestext für eine Zustimmung der Grünen ausreichen, blieb offen. Dröge sagte an Unionsfraktionshef Merz gewandt, falls dieser sich frage, warum die Verhandlungen mit den Grünen gerade so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: „Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen.“
Haßelmann versteht Merz‘ Vorgehen nicht
Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte in Ihrer Rede, sie „zweifle einfach am Verhandlungsgeschick mancher Kollegen“. Mit Blick auf den offenbar erstmals im Bundestag präsentierten Änderungsantrag sagte Haßelmann: „Angebote an unzureichende Gesetzentwürfe macht man weder über die Mailbox noch im Plenum, wenn man will, dass sie Erfolg haben.“ Merz hatte vergangene Woche auf Haßelmanns Anrufbeantworter gesprochen, man könne das Wort Klimaschutz in die Liste der Sondervermögenszwecke aufnehmen. Seither gab es mehrere Gespräche zwischen Union, SPD und Grünen, in denen aber der nun vorliegende Änderungsantrag offenbar nicht Thema war.
Die Grünen bezweifeln, dass es beim Sondervermögen wirklich Geld für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur geben soll, statt nur für bereits geplante Maßnahmen. Wenn dies ernst gemeint sei, müsse die Zusätzlichkeit im Grundgesetz festgeschrieben werden, sagte Dröge. „Wenn Sie Kredite nehmen für Konsumausgaben, dann braucht es die Schuldenbremse nicht mehr.“ Haßelmann forderte zudem, dass die noch von der SPD geführte Bundesregierung bislher zurückgestellte Ukraine-Hilfen über 3 Milliarden Euro umgehend freigibt.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte im Bundestag, es gebe die feste Zusage von Schwarz-Rot, das Geld aus dem Sondervermögen wirklich nur für neue Investitionen zu verwenden. „Es geht darum, dass wir einen Investitionsbooster in diesem Land auslösen.“ Klingbeil warnte vor einem Scheitern des Pakets, was einen Reputationsverlust für Deutschland bedeuten würde. „Wenn die Geschichte anklopft, dann muss man öffnen, weil man nie weiß, ob es eine zweite Chance dazu gibt.“