Montag, 06.Mai 2024 | 18:09

Trotz Zugeständnissen der Ampel: Bundesrepublik rüstet sich für Bauernproteste

Share

Am heutigen Montag könnten die angekündigten bundesweiten Bauernproteste das öffentliche Leben in Deutschland erheblich beeinträchtigen.

Obwohl die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich weitgehend zurückgenommen hat, bereiten Bauern gemeinsam mit dem Transportsektor und teils weiteren Branchen massive bundesweite Proteste vor. Polizei und Behörden rechnen mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen.

Bundesweit erwarten Polizeibehörden am Montag Straßenblockaden und weitere Aktionen mit Treckern und anderem landwirtschaftlichen Gerät. Der Bauernverband plant eine Protestwoche, die am 15. Januar mit einer Demonstration in Berlin gipfeln soll. Bereits für Montag sind zahlreiche Aktionen von Flensburg bis an den Bodensee angekündigt. Protestfahrten sind etwa in den Großräumen Hamburg, Bremen, Potsdam, Magdeburg, Halle sowie im Rhein-Main-Gebiet und im Saarland geplant.

Kundgebungen sind unter anderem in München, Erfurt und in Ravensburg im südlichen Baden-Württemberg vorgesehen. In Berlin soll es bereits am Montag auch eine Demonstration mit Traktoren am Brandenburger Tor geben. In NRW sind größere Versammlungen in Köln, Bonn, östlich von Dortmund und in Münster geplant.

Das Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern rechnet mit Problemen “an den meisten Autobahnauffahrten”. “Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung” habe man deshalb ausnahmsweise den Warenferntransport am Sonntag erlaubt. Auch andernorts zeichnen sich Autobahnauffahrten als Schwerpunkte der Proteste ab.

Die Polizeigewerkschaft in Bayern befürchtet eine Überlastung der Polizei und kritisierte die Landwirte. “Viele Aktionen schießen da nicht nur rechtlich weit übers Ziel hinaus, sie stellen in Teilen auch Verkehrsgefährdungen sowie Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar”, erklärte Polizeigewerkschafter Thorsten Grimm.

In Rheinland-Pfalz warnte die Polizei, dass sich Autofahrer vom frühen Morgen an auf erhebliche Verkehrseinschränkungen einstellen müssten. Dort sind Traktoren-Sternfahrten, Blockaden von Autobahnauffahrten und Kundgebungen geplant. In Niedersachsen werden sich nach Einschätzung der Polizei in Bremen bis zu 2000 Fahrzeuge auf den Weg in die Hansestadt Bremen machen, wo um 10 Uhr eine Kundgebung angemeldet ist. Unter anderem in Cloppenburg, Diepholz, Cuxhaven und rund um Lüneburg haben Landwirte sogenannte Schleichfahrten angemeldet. Mehrere Polizeistellen erinnerten vorsorglich daran, dass das Befahren von Autobahnen mit Traktoren nicht erlaubt sei.

Mehrere Bundesländer kündigten großzügige Regelungen an, sollten Schülerinnen und Schüler wegen der Verkehrsblockaden nicht oder zu spät zur Schule kommen. Der Tag werde nicht als Fehltag gewertet, heißt es aus Rheinland-Pfalz. Das schleswig-holsteinische Bildungsministerium teilte mit: “Die Schulleitungen kennen die besondere Situation und nehmen Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler, die verspätet zum Unterricht erscheinen”, teilte das Bildungsministerium mit. Grundsätzlich gelte, dass Eltern, die für ihr Kind eine besondere Behinderung oder Gefährdung auf dem Schulweg durch die Demonstrationen befürchteten, ihr Kind zu Hause behalten oder es vorzeitig abholen und das Fernbleiben entschuldigen könnten.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat zu einer Woche bundesweiter Protestaktionen gegen die Politik der Bundesregierung aufgerufen. Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen für die Branche im Zuge der Haushaltskrise. Die Bundesregierung hat die Pläne mittlerweile wieder weitgehend einkassiert, der DBV hält dennoch an den Protesten fest.

Der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) begründete dies mit tiefer liegenden Problemen. Es gehe “vielen längst um viel mehr als Agrardiesel und eine KFZ-Steuerbegünstigung”, erklärte der BDM-Vorsitzende Karsten Hansen. “Es ist ein Protest gegen den berühmten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.” Weitere Branchen schlossen sich an, etwa Fischereiverbände und der bayerische Hotel- und Gaststättenverband. “Wir solidarisieren uns mit den Bauern und werden ab Montag auch bei den Kundgebungen dabei sein”, erklärten die Gastwirte.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die angekündigten Proteste als “unverhältnismäßig”. Protest müsse immer “verhältnismäßig im Rahmen unserer demokratischen Ordnung” sein, sagte er beim Dreikönigstreffen seiner Partei in Stuttgart. Bundesweite Blockadeaktionen seien dies nicht. “Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um”, appellierte er an die Landwirte. Inhaltlich erteilte der Bundesfinanzminister den Bauern eine klare Absage: Die Branche profitiere etwa von der gesenkten Stromsteuer und fordere neue Fördermittel für den Stallumbau. “Wer neue Subventionen will, muss auch auf alte verzichten.”

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte zu Beginn der Klausurtagung der Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon den Vorfall mit Bundesminister Robert Habeck. Er habe aber Verständnis für die Proteste der Bauern. Weitere Unionspolitiker solidarisierten sich mit den Landwirten – solange die Proteste im rechtsstaatlichen Rahmen blieben.

CDU-Chef Friedrich Merz rief die Landwirte dazu auf, bei ihren Protesten friedlich zu bleiben und sich nicht instrumentalisieren zu lassen. Merz schrieb in einer E-Mail an seine Anhänger, alle, die protestieren wollten, sollten dies mit “Augenmaß und vor allem ohne Gewalt” tun. “Landwirte, Spediteure oder wer auch immer dürfen sich nicht instrumentalisieren lassen von Leuten und Gruppierungen, die den legitimen Protest missbrauchen, um das ganze System unseres Landes infrage zu stellen.”

Nach der Blockade-Aktion gegen Habeck in Schleswig-Holstein am Donnerstag wird zudem eine zunehmende Radikalisierung der Landwirte und Unterwanderung der Proteste befürchtet. Protestierende Landwirte hatten mit ihren Treckern einen Fähranleger am Nordseehafen Schlüttsiel blockiert und den Grünen-Politiker am Verlassen der Fähre gehindert. Die Aktion sorgte für breite Kritik in der Politik.

Vertreter der Bauernverbände distanzierten sich wiederholt von Gewalt und extremistischer Einflussnahme. DBV-Präsident Joachim Rukwied erklärte die Teilnahme rechter Gruppierungen an den Bauernprotesten für unerwünscht. “Rechte und andere radikale Gruppierungen mit Umsturzgelüsten wollen wir auf unseren Demos nicht haben”, sagte er der “Bild am Sonntag”.

Sicherheitsbehörden verzeichneten zuletzt aber diverse Mobilisierungsaufrufe und Solidaritätsbekundungen von Rechtsextremisten, Gruppierungen der Neuen Rechten und der Querdenker-Szene. Das Bundeskriminalamt registrierte laut einem Bericht der “Welt am Sonntag” Aufrufe zu einem “Generalstreik” und “Umsturzrandale”.

Beteiligt sind demnach etwa die rechtsextremistische Partei Der III. Weg und die neurechte Initiative Ein Prozent. Gleichzeitig sieht die Behörde dem Bericht zufolge für die Bauernproteste und deren Veranstalter selbst keine “gefährdungsrelevanten Erkenntnisse”.

Folge uns...

Kommentiere den Artikel

Bitte schreibe deinen Kommentar!
Bitte gib hier deinen Namen ein

lass' uns dir doch helfen

Mit einem Stichwort oder auch nur einem Namen findest du, wonach du suchst

Unser gesamtes Archiv mit tausenden Artikeln, Beiträgen und zahlreichen Informationen steht dir bei der Suche zur Verfügung. Dabei stehen dir alle Bereiche wie z.B. Politik, Sport, Wirtschaft oder Rostock, Schwerin, Wismar zur Verfügung.