Es gibt Städte, die wählen. Und es gibt Städte, die vertagen. Wismar gehört seit neuestem eindeutig zur zweiten Kategorie. Die Wahl des neuen Vize-Bürgermeisters war kein demokratischer Höhepunkt, sondern ein Marathon im Pausenraum. Acht Unterbrechungen, endlose Geschäftsordnungs-Tricksereien, und am Ende ein Ergebnis, das mehr nach Zufall als nach politischer Entscheidung klingt.
René Domke hat gewonnen – knapp, mit 17 Stimmen gegen 16 für Maik Schröder. Ein hauchdünner Sieg, der weniger nach Aufbruch klingt als nach „Wir müssen jetzt endlich irgendwen wählen, sonst sitzen wir bis Weihnachten hier“. Dass die CDU ihren Kandidaten Lars Sperling gleich im ersten Wahlgang mit null Stimmen verabschiedete, war nur eine Randnotiz. Die eigentliche Pointe: Die SPD zieht ihren Kandidaten zurück, die Linke nominiert ihn trotzdem. Wer hier noch den Überblick behält, verdient einen Sitz im Präsidium – oder wenigstens eine Ehrenurkunde für politische Orientierung im Chaos.
Die AfD und die „Bürger für Wismar“ klatschten offen für Domke. Ein Signal, das man nicht überhören sollte. Denn wenn ausgerechnet jene Fraktionen den Ausschlag geben, dann ist die Frage erlaubt: Wer bestimmt hier eigentlich die Richtung? Die Bürgerschaft oder die Lautesten im Saal?
Und während die Demokratie in Wismar auf der Pausentaste stand, wurde die Geschäftsordnung zum Spielball. Pausen als Waffe, Vertagungen als Strategie, Blockaden als Stilmittel.
Jetzt also Domke. Ein erfahrener Finanz- und Verwaltungsmann, FDP-Landeschef, Landtagsfraktionsvorsitzender. Er kündigt an, sich von Parteiämtern zurückzuziehen. Vielleicht ist das die beste Nachricht – denn wenn die Bürgerschaft schon im Pausenmodus regiert, braucht es wenigstens einen Vize-Bürgermeister, der den Play-Knopf findet.
Die Demokratie hat in Wismar keinen Schaden genommen, heißt es. Aber sie hat sich eine ordentliche Blamage eingefangen. Wer Kandidaten nominiert, die gar nicht mehr antreten wollen, wer Sitzungen so lange unterbricht, bis alle erschöpft sind, und wer am Ende eine Entscheidung trifft, die mehr nach Erschöpfung als nach Überzeugung aussieht – der zeigt nicht politische Reife, sondern politische Selbstblockade.
Wismar hat gewählt. Oder besser gesagt: Wismar hat sich durchgewählt. Mit viel Theater, viel Pausenmusik und einem Ergebnis, das wirkt wie ein Münzwurf. Die Bürgerschaft wollte wohl zeigen, dass Demokratie manchmal auch ein Pausenclown sein kann. Wirkung hat das allemal – nur nicht die, die man sich wünschen würde.