Im strömenden Regen von Zürich redete Christian Wück minutenlang auf seine Spielerinnen ein. Immer wieder schlug er bei seiner emotionalen Ansprache mit der Faust auf die andere Hand. Als der Bundestrainer das DFB-Team nach einem freien EM-Tag auf dem Trainingsplatz einschwor, waren die Diskussionen in der Heimat aber längst in vollem Gange. Offenbart der Bundestrainer dieser Tage einmal mehr Schwächen in der Kommunikation? Muss er nicht zwingend seine riskante Spielidee überdenken?
Vor dem Viertelfinal-Kracher gegen Frankreich rückten all diese Fragen in der Öffentlichkeit in den Fokus und schürten reichlich Unruhe. Die langjährige DFB-Kapitänin Alexandra Popp erwartet jedenfalls ein defensiv stabileres Team – und damit auch Änderungen in Wücks Herangehensweise. „Ich gehe davon aus, dass sie etwas anpassen werden. Bei den Französinnen kommen ganz schön schnelle Lokomotiven auf einen zu“, sagte Popp im Podcast „Copa TS“ vor der Partie am Samstag (21 Uhr/ZDF und DAZN) in Basel.
Die Konteranfälligkeit, das hohe Verteidigen und die Tempodefizite in der Defensive waren den deutschen Fußballerinnen bei der heftigen Abreibung gegen Schweden (1:4) mehrmals zum Verhängnis geworden. Wück betonte im Anschluss zunächst, dass er nicht komplett von seiner Idee abrücken will. „Es ist falsch, wenn wir sagen, wir wollen jetzt nur reagieren und nur zerstören“, sagte er nach der höchsten EM-Niederlage der DFB-Frauen.
Popp wünscht sich Anpassungen von Wück
„Grundsätzlich“ sprach Popp für diese Haltung ein Kompliment aus. „Man muss auch Eier haben, seine Philosophie durchzuziehen“, sagte die 34-Jährige, sie finde es „cool“, dass man bei sich bleibe „und nicht von heute auf morgen alles über den Haufen wirft“. Aber: „Es ist ein Turnier – und Anpassungen tun manchmal auch nicht weh.“ Popp dürfte also gefallen haben, was Co-Trainerin Maren Meinert am Nachmittag durchklingen ließ: „Uns ist auch klar, dass wir, wenn wir nicht kompakt stehen gegen Frankreich, wenig Chancen haben werden.“
Neben der Taktik-Diskussion sorgt ein weiteres Thema für Gesprächsstoff. Seit seiner Rüge für Ann-Katrin Berger nach der Dänemark-Partie (2:1) wird der Bundestrainer die Debatte um das riskante Spiel der Torhüterin mit dem Ball nicht mehr los. Wück, sagte die frühere DFB-Stammkeeperin Almuth Schult in einem SZ-Podcast, habe „noch nicht den Umgang damit gefunden, dass seine Aussagen so massive Auswirkungen in den Medien haben“.
Der 52-Jährige, der bereits im EM-Vorfeld durch die Kritik einiger Spielerinnen an der mangelnden Kommunikation nach innen in den Fokus geraten war, müsse „etwas bedachter antworten“, riet Schult, „um auch ein bisschen Ruhe mit den Medien reinzubekommen“. Intern scheint es aus ihrer Sicht dagegen „mittlerweile gut zu laufen“.
DFB wiegelt ab
Die zweimalige Europameisterin Inka Grings brachte dagegen Verständnis für Wücks Auftreten auf. Für den Weltmeistercoach der männlichen U17 sei es „eine neue Situation. Er meint das sicherlich mehr aus dem Humor“, sagte Grings im ARD-Morgenmagazin, sie warnte aber: „Man muss schon wachsam sein, weil diese Debatte danach ist sicherlich sehr ungünstig. Die Unruhe brauchst du nicht.“
Und wie reagiert Wück auf die herausfordernde Situation? Laut Nia Künzer geht der Coach „mit Ruhe und sehr fokussiert die nächsten Themen“ an. Wichtig sei dann aber auch, fuhr die Sportdirektorin fort, „die Vorfreude und den Optimismus zu vermitteln, dass wir hier in einem Viertelfinale stehen“.