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Nagelsmann quetscht alles raus und irritiert mit einer Entscheidung

Julian Nagelsmann hat in seiner immer noch jungen Trainerkarriere gelernt, sich nur über die Dinge aufzuregen, die er beeinflussen kann. Verletzungen seiner Spieler, viele sehr schwere, fallen nicht in diesen Bereich, den der Bundestrainer lenken kann. Er kann sich nur um die Folgen kümmern. Und das tut er. Für das Final-Four-Turnier der Nations League nominiert er einen DFB-Kader, der trotz aller Probleme titeltauglich ist.

Es ist ein Kader, der womöglich nicht überall gut ankommt. Womöglich nicht beim FC Bayern oder auch beim BVB. Beide Vereine haben eine kräftezehrende Saison hinter sich. Die Dortmunder verausgabten sich auf der Zielgeraden, um es mit einem gewaltigen Kraftakt doch noch in die Champions League zu schaffen. Die Münchner waren immer wieder zum Improvisieren gezwungen, weil sie absurd viele Ausfälle kompensieren mussten. Und vorbei ist die Saison ja noch nicht. Denn beide Klubs reisen im Sommer noch zur Klub-WM. Was für ein schmaler Grat, der den Spielern alles abverlangt und die Trainer zu schwierigen Überlegungen zwingt.

Ohne den schwer verletzten Innenverteidiger Nico Schlotterbeck stellt der BVB vier Spieler ab, der FC Bayern quasi sechs, wenn man Neuzugang Tom Bischof schon ihnen zurechnet (mehr dazu unten).

Nagelsmann hätte einlenken können. Wollte er aber nicht. Er wäre von seinem Weg abgekommen. Der Trainer will im kommenden Sommer Weltmeister in den USA werden. Und er will dem Team eine Gewinnermentalität einschärfen. Kein Spiel soll geringer gestellt als ein anderes, jedes gewonnen werden. Nagelsmann glaubt daran, dass diese Gier ein Team zum Titel tragen kann. Zum ganz großen. Die Spanier haben das einst vorgemacht.

„Spitz auf Knopf“ reicht Nagelsmann nicht

Und so macht Nagelsmann kaum Kompromisse, aber versucht auch die größtmöglichen Risiken zu vermeiden. Weder will er Spieler nach Verletzungen zu schnell einsetzen und damit womöglich Schlimmeres verursachen, noch will er Spieler mitnehmen, die nicht die Form haben, um beste Leistungen abzurufen. Und so verzichtet Nagelsmann auf drei eigentlich gesetzte Stars: auf Bayern Münchens Zauberer Jamal Musiala, auf den Arsenal-Offensivspieler Kai Havertz und auf Madrids Abwehrhünen Antonio Rüdiger.

Bei ihnen wäre es „Spitz auf Knopf“ geworden, dass sie spielfähig gewesen wären. Was auch bedeutet: auf keinen Fall in bester Verfassung. Der Verzicht sei zwar „extrem bitter“, sagte Nagelsmann, aber aus seiner Sicht konsequent. „Wir haben ja nichts davon, wenn die Spieler dann drei Monate ausfallen und die WM nicht spielen können.“ Die Kosten-Nutzen-Rechnung ist dem Bundestrainer einfach zu riskant.

„Ich war sehr viel und intensiv im Austausch. Natürlich hätten wir sie gerne dabei“, berichtete der Bundestrainer von vielen Gesprächen mit den Profis und ihren Klubs. Die Spieler hätten auch „unbedingt gewollt“ – ein gutes Zeichen, findet Nagelsmann. Bayern Münchens Sportvorstand Max Eberl hatte in Sachen Musiala seine Bedenken öffentlich geäußert und dürfte über die Entscheidung glücklich sein.

Auf Wirtz liegen die Hoffnungen – und auf Sané

Ein Zugeständnis, das er in Zeiten außerordentlicher Belastung macht: Er nominiert die maximal zulässige Zahl von 26 Spielern. Im Training könne man dann mehr machen, mal etwas ausprobieren und Pausen gönnen. Wie wichtig die Belastungssteuerung ist, hat er in diesem Jahr bereits mehrfach auf bittere Weise erfahren müssen. Weil eben nicht jeder Klub in der Lage ist, sein Personal auf höchstem Niveau zu rotieren, fegte ein kaum zu fassender Sturm an Hiobsbotschaften über ihn hinweg.

Trotz der fehlenden Achse Rüdiger, Musiala und Havertz hat Nagelsmann aber einen Top-Kader um etablierte Kräfte wie Joshua Kimmich, Jonathan Tah und Leon Goretzka beisammen. Florian Wirtz ist nach längerer Verletzung wieder da, von ihm erhofft sich Nagelsmann zauberhafte Momente, für die der Spielmacher schon so oft gesorgt hat. Flankiert wird er in der Offensive vom so formstarken Leroy Sané, der allerdings immer noch nicht weiß, wie es im Sommer für ihn weitergeht. Das könnte ihn auch nochmal hemmen. Vielleicht gibt es aber bis zum Turnier auch noch eine Entscheidung, ob er beim FC Bayern bleibt.

„Lücke“ und der „Woltemessi“ sollen es richten

Im Sturm kehrt Niclas Füllkrug nach einer sportlich und gesundheitlich schwierigen Saison bei West Ham United zurück. Nagelsmann weiß um den Wert des Hünen. Gerade auch in Abwesenheit des schwer verletzten Tim Kleindienst. Füllkrug gibt dem Team mit seiner Kopfballstärke eine ganz besondere Komponente, ist aber auch abseits des Platzes eine wichtige Stütze. Weiter in der Nationalmannschaft bleibt Deniz Undav, obwohl er eine bestenfalls mäßige Saison beim VfB Stuttgart erlebt hatte.

Jonathan Burkhardt vom FSV Mainz 05, erfolgreichster deutscher Stürmer der Bundesliga-Saison (18 Tore) und beim Länderspielblock im März gegen Italien noch in der Startelf (im Hinspiel), bleibt dagegen zu Hause. Das ist durchaus überraschend und hinterfragt zumindest mal, ob der Leistungsgedanke, der bei allen gewünschten Rollenzuteilungen ja immer noch leitend ist, wirklich immer angewendet wird. Findet auch der Mainzer Boss Christian Heidel: „Ich bin schon verwundert, insbesondere nach der Verletzung von Tim Kleindienst, dass der erfolgreichste deutsche Stürmer der Bundesliga-Saison nicht nominiert ist. Schade!“, sagte er dem „Kicker“.

Spannend ist aber vor allem die Nominierung von Nick Woltemade, der in Stuttgart eine wilde Entwicklung hingelegt hat, vom belächelten „Stolpermade“ zum „Woltemessi“ wurde. Er habe „das Momentum gerade total auf seiner Seite“. Schon im März hatte Nagelsmann den Stürmer im Auge, verlangte aber Konstanz. Die hat Woltemade mit 14 Pflichtspieltoren seit November gezeigt. Für ihn wird es ein ganz besonderer Sommer, denn er reist auch noch mit zur Europameisterschaft.

Als der Stürmer Spaniens U21 Ende März mit drei Treffern im Alleingang filetierte, lag ihm die Welt für ein paar Tage zu Füßen. Seine magischen Tore wurden rauf- und runtergespielt. Woltemade war in aller Munde und wurde auf die heißten Platten in der Gerüchteküche gelegt. Er soll sogar beim FC Bayern auf der Watchlist stehen. Künftig auf der Gehaltsliste der Münchner steht Tom Bischof, die größte Überraschung im Nagelsmann-Aufgebot: Der 19-Jährige hätte eigentlich im Juni die U21-EM spielen sollen. Aber weil die Bayern den Mittelfeldspieler mit zur Klub-WM nehmen wollen, bekommt er keine Freigabe für die EM und damit einen vorzeitigen Schnupperkurs beim A-Nationalteam. „Ich sehe Tom als guten Perspektivspieler“, sagte Nagelsmann.

Ter Stegen kommt mit klarer Rolle zurück

Eine besonders schöne Nachricht für Nagelsmann ist die Rückkehr von Marc-André ter Stegen, der eine lange Leidenszeit hinter sich hatte und die erstaunliche Auferstehung seines FC Barcelona nur emotional begleiten konnte. Trotz guter Vorleistungen seines Stellvertreters Oliver Baumann ist ter Stegen die Nummer eins. Endlich soll seine Zeit beginnen, auf die er im Schatten von Manuel Neuer so lange und verzweifelt gewartet hatte.

Deutschland trifft am Mittwoch, 4. Juni in München im Halbfinale auf Portugal mit Cristiano Ronaldo. Am Donnerstag kämpfen dann Europameister Spanien und Frankreich in Stuttgart um den Einzug ins Endspiel, das am 8. Juni in München stattfindet. „Die Elite Europas ist eingeladen“, sagte Kapitän Kimmich nach dem erstmaligen Einzug in die Finalrunde: „Es wird ein kurzes Turnier, aber für uns auch ein sehr wichtiges, in dem wir möglichst positiv abschneiden wollen und die Menschen in Deutschland wieder begeistern können.“

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