Es ist ein Montagabend in Ziesendorf, einem kleinen Ort bei Rostock. Normalerweise würde hier die Sirene der Freiwilligen Feuerwehr jederzeit zum Einsatz rufen können. Doch diesmal bleibt es still. 22 von 27 Feuerwehrleuten haben erklärt, nicht mehr auszurücken. Der Ort ist plötzlich ohne seine wichtigste Schutzmacht.
Im Gerätehaus herrscht gespenstische Ruhe. Die Spinde sind gefüllt, die Helme hängen an ihren Haken, die Fahrzeuge stehen bereit – und doch ist niemand da, der sie bewegt. „Wir fühlen uns nicht ernst genommen“, sagt einer der Feuerwehrleute, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Es gehe um mangelhafte Ausrüstung, fehlende Wertschätzung und einen Streit mit Bürgermeister Thomas Witt. Der Konflikt hat sich über Monate aufgebaut, nun ist er eskaliert.
Der Bürgermeister selbst gibt sich zurückhaltend. „Die Feuerwehr wird ausreichend unterstützt“, sagt er knapp. Mehr will er nicht erklären. Am Dienstagabend soll ein Krisengespräch mit der Amtsverwaltung stattfinden. Bis dahin bleibt die Lage angespannt.
Die Gemeinde ist nicht schutzlos, betont Kreiswehrführer Mayk Tessin. Im Ernstfall würden benachbarte Feuerwehren einspringen, die Verzögerung betrage nur ein bis zwei Minuten. Doch die Menschen im Ort sind verunsichert. „Es ist ein komisches Gefühl, wenn man weiß, dass die eigene Feuerwehr nicht mehr kommt“, sagt eine Anwohnerin.
Der Präsident des Landesfeuerwehrverbandes, Hannes Möller, verweist auf die kommunale Selbstverwaltung. Solche Konflikte gebe es immer wieder, meist seien persönliche Auseinandersetzungen der Auslöser. Doch in Ziesendorf ist es mehr als ein Streit im Verein – es ist ein Vertrauensbruch zwischen Ehrenamt und Politik.
Die Zahlen zeigen, wie fragil das System ist: In Mecklenburg-Vorpommern leisten über 26.000 Menschen ihren Dienst in Freiwilligen Feuerwehren, während die Berufswehren gerade einmal knapp 800 Kräfte zählen. Ohne das Ehrenamt geht nichts. Wenn aber die Ehrenamtlichen schweigen, steht eine Gemeinde still.
In Ziesendorf ist es nun soweit. Die Sirene bleibt stumm, die Fahrzeuge stehen still. Und die Frage, die bleibt, lautet: Wer löscht das Feuer, wenn die Feuerwehr nicht mehr kommt?