Freitag, 03.Mai 2024 | 06:08

Künstlich am Leben erhalten: Corona-Hilfen führen zu Insolvenzwelle im März

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Die Zahl der Insolvenzen hat in den ersten drei Monaten des Jahres neue Höchststände erreicht.

Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in seinem Insolvenztrend. Er liegt dem “Handelsblatt” vor. 1297 Firmen in Deutschland mussten im März Insolvenz anmelden. Demnach gab es seit 2016, dem Beginn der Erhebung, noch nie so viele Firmenpleiten bei Personen- und Kapitalgesellschaften wie jetzt. Unternehmen in Deutschland haben damit den ohnehin schon hohen Wert im Februar noch einmal um neun Prozent übertroffen. Im Vormonat mussten 1193 Firmen Insolvenz anmelden.

Das Ergebnis liege überdies “35 Prozent höher als im März 2023 und 30 Prozent über dem März-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie”, heißt es im Insolvenztrend. Einzig vor rund 20 Jahren, als das IWH die Daten noch nicht erhob, habe es noch deutlich höhere Wert gegeben.

1297 Insolvenzen gab es demnach im März. Gründe sind in den Augen der Forscher vor allem die gestiegenen Kosten, unter anderem aufgrund höherer Zinsen, höhere Lohnkosten und Energiekosten. “Viele Geschäftsmodelle basierten auf der Annahme niedriger Zinsen.” Die Kalkulation sei seit dem Anstieg 2022 nicht mehr aufgegangen, resümierte IWH-Insolvenzforscher Steffen Müller. Zudem fehlten den Unternehmen immer öfter Fachkräfte.

Doch eine Vielzahl der Insolvenzen wird als Folge der Corona-Pandemie gesehen. “Mit den Corona-Hilfen wurden vor allem unproduktive Unternehmen am Leben erhalten, die es nun in einem deutlich schwierigeren Umfeld nicht mehr schaffen”, sagte IWH-Forscher Müller. “Ein Teil der derzeit hohen Insolvenzzahlen ist also durch eine nachholende Corona-Insolvenzwelle zu erklären.” Während der Pandemie gab es vergleichsweise wenig Insolvenzen. Ein Grund dafür waren die zahlreichen Hilfen der Bundesregierung. Zudem wurde vorübergehend das Insolvenzrecht aufgeweicht.

Die meisten Insolvenzen treffen den Immobilien- und Bausektor. Laut IWH sind viele Bauträger in die Insolvenz gegangen. Im Vergleich zu 2020 hätten sich die Insolvenzen im Grundstücks- und Wohnungswesen mehr als verdoppelt (plus 148 Prozent). Zum einen sei die Nachfrage eingebrochen, weil der Trend zum Homeoffice die Nachfrage nach Büroräumen senkte. Zudem brachten die höheren Zinsen die Kalkulation von Immobilienkäufern durcheinander. Im Bauwesen sei die Zahl der Insolvenzen von 353 im 1. Quartal 2020 auf 510 im 1. Quartal 2024 gestiegen.

In der Industrie registrieren die Forscher nur eine minimale Zunahme um fünf Prozent auf 339 Insolvenzen. Im Sektor Verkehr und Logistik wiederum gingen die Unternehmenspleiten sogar zurück. Dort gab es im Vergleich zum 1. Quartal 2020 acht Prozent weniger Insolvenzen. “Aufgeschlüsselt zeigt sich, dass Branchen wie das Transportgewerbe, aber auch die Industrie, bei Weitem nicht so von Insolvenzen betroffen sind, wie sich nach den Klagen der Branchen erwarten ließe”, sagte Müller. So klagten etwa die Chefs zahlreicher Wirtschaftsverbände über ihre Situation und die mangelnde Wahrnehmung dieser durch die Politik, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz.

Laut IWH waren bei den zehn Prozent der größten insolventen Unternehmen im März circa 11.000 Beschäftige betroffen. Entsprechend liege die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Niveau vom Februar, “aber etwa 42 Prozent höher als in einem durchschnittlichen März vor der Corona-Pandemie”. Aufgrund des Fachkräftemangels fänden entlassene Beschäftigte aber schnell wieder Arbeit. Deshalb sei das Risiko, arbeitslos zu bleiben oder langfristig weniger Einkommen zu erzielen, nach einer Insolvenz des Arbeitgebers “derzeit begrenzt”.

Zudem würde sich die Lage allgemein in den kommenden Monaten bessern, so die Experten. Als Frühindikator blicken die Forscher des IWH auf die vorinsolvenzrechtlichen Gerichtsentscheidungen. “Im April werden wir noch einmal viele Insolvenzen registrieren”, prognostiziert Müller. Im Mai, spätestens im Juni dürfte deren Zahl jedoch sinken. Denn einerseits ist zu erwarten, dass die nachgeholten Corona-Insolvenzen abnehmen. Anderseits fange die konjunkturelle Lage in Deutschland langsam an, sich zu erholen.

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