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Nur eins will Xabi Alonso beim Bayer-Abschied lieber vergessen

Es kommt nicht häufig vor, dass man nach einer 2:4-Klatsche mit Standing Ovations gefeiert wird. Heute war so ein Tag. Der Abschied von Xabi Alonso vor seinen Heimfans in Leverkusen wurde von Borussia Dortmund zwar böse aufgemischt, den großen Emotionen aber tat dies keinen Abbruch.

Per Räuberleiter kraxelte der spanische Trainer zusammen mit Jonathan Tah weit nach Abpfiff auf den Zaun zu den Ultras und ließ sich ein letztes Mal vor der Nordkurve feiern. Die Faust Richtung Himmel gereckt. Die Fans stimmten einen der größten Hits an: „Ungeschlagen Meister“. Anschließend ging es zur Ehrenrunde, immer wieder schlug sich Alonso dabei aufs Herz.

Wie viele Emotionen passen in ein Fußballstadion? Bayer Leverkusen und Alonso schickten sich an diesem Sonntagmittag an, den ultimativen Feldversuch zu unternehmen. Auf dem Weg zum Stadion zeugten die „Danke Xabi“-Schals von der Wehmut, die über Leverkusen liegt. Selbst das Wetter hatte sich für diesen besonderen Sonntag herausgeputzt. Die Sonne knallte fast so stark aufs Bayer-Kreuz wie der Abschiedsschmerz.

Kurz vor Anpfiff schallten „Xabi, Xabi“-Rufe durch die Arena, während die Zuschauer minutenlang warteten, ehe der Gefeierte hinauslief und offiziell verabschiedet wurde. Von Bayer-Boss Fernando Carro erhielt er ein großes Bild mit den Bayer-Trophäen und ein Straßenschild: Xabi-Alonso-Allee. „Das ist nicht einfach zu kriegen“, sagte Alonso nach dem Spiel mit einem Lächeln. Das Schild will er künftig in seinem Büro aufhängen. Der Baske schickte Küsse in alle Himmelsrichtungen. Schon da hielt es keinen auf den Sitzen. „Danke für alles“ stand auf einem Schild mit einem dicken Herz.

Eine Huldigung für Xabi I.

Auch die Mannschaft schenkte ihrem Trainer zunächst ein letztes Hurra und legte los, als sei immer noch die Saison 2023/24. Ein Angriff nach dem anderen rollte an, nach sechs Minuten hatte die Werkself schon vier Ecken herausgespielt. Das Team schnürte den BVB ein. Eine Reminiszenz an den Alonso-Ball, der die Liga erobert hatte. So war der erste Treffer von Jeremie Frimpong nur eine Frage der Zeit. Sofort eilte der Niederländer zu Alonso, sprang ihm in die Arme, bedankte sich beim Coach.

Der aber war schon wieder am Dirigieren. Immer weiter. Das musste er, weil Dortmund wie aus dem Nichts mit zwei guten Abschlüssen das kuriose Spiel drehte. Die Statistiken sprachen alle für den Gastgeber, doch es wurde noch schlimmer. Leverkusen spielte in weiten Teilen, wie man es kannte, nur der späte Punch aus der Vorsaison fehlte. In der zweiten Halbzeit schlugen stattdessen die Dortmunder Karim Adeyemi und Serhou Guirassy nach Ballgewinnen eiskalt zu.

Aber die knapp 30.000 Zuschauer waren nicht nur für das aus Bayer-Sicht bedeutungslose Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund gekommen, sondern um ihm noch einmal zu huldigen: Xabi I. Ihm, der im Herbst 2022 als Retter im Abstiegskampf gekommen war, das Team auf Tabellenrang 17 übernahm und binnen weniger Monate zum alles auffressenden Spitzenteam formte.

Das Ergebnis vergisst Alonso lieber ganz schnell

Ihm, der den richtig großen Erfolg nach Leverkusen brachte, den Schmähtitel Vizekusen zerstörte. Der magische Nächte und große Momente schuf. In der Vorsaison mutierte der Klub zum wandelnden Running Gag der Liga, weil die Werkself spätestens in der Nachspielzeit zuschlug und noch jeden Gegner auffraß, als das Spiel eigentlich längst vorbei war. Es war surreal gut. Und Alonso konnte eigentlich nichts falsch machen.

Bayer 04 lieferte sich großartige Fußball-Schlachten, immer mittendrin: Xabi Alonso. Wie kein anderer war er das Gesicht des Erfolges. Unten auf dem Rasen teilweise ein emotionaler Vulkan, der Emotionen rausschleuderte und auch mal die Hände vor das Gesicht schlagend auf die Knie sank. Hinterher am Mikro und den Pressekonferenzen mit leiser Stimme bescheiden und das Spiel auf seine eigene Weise filetierend.

Am Sonntag waren ihm die besonderen Umstände anzumerken. „Für mich war es ein emotionaler Tag“, sagte er, als fast alles geschafft war. „Dieser Verein bleibt für immer in meinem Herzen.“ Das Ergebnis heute sei nicht das Wichtigste, „das werde ich schnell vergessen.“ Es sei eine besondere Zeit in Leverkusen gewesen, „die viel Einfluss auf mich hatte. Das bleibt für immer.“

Wenig Sorgen und viel Dankbarkeit

Xabi Alonso entwickelte sich in Rekordtempo zum Supertrainer der Liga, überflügelte die Bayern – der Doublesieg mit der Ungeschlagen-Saison wird ihn für immer unvergessen machen, nicht nur bei Bayer 04. Binnen zwei Jahren stieg der einstige Weltklassespieler auch als Trainer zur Legende auf. Sein Weg geht weiter. Es ist noch nicht offiziell, aber allen ist klar: Der nächste Schritt heißt Real Madrid.

In Leverkusen aber mischen sich Stolz und Wehmut mit ein wenig Sorge. Der Abgang zusammen mit den immer hartnäckiger werdenden Gerüchten um Florian Wirtz und weitere Stars der Ungeschlagen-Elf lösen in der Aspirin-Stadt schon ein wenig Kopfschmerzen aus.

Offiziell verabschiedet wurde am Sonntag neben Alonso auch Kapitän Jonathan Tah, der nach über zehn Jahren eine neue, bisher nicht verkündete Herausforderung annimmt. Eine Klub-Ikone. Nicht nur wegen der über 400 Pflichtspiele für Bayer 04. Der 29-Jährige entwickelte sich vom Talent zum Abwehrchef und Stammkraft der deutschen Nationalmannschaft. Auch eine irrwitzige Aufsteiger-Geschichte. „Als Talent gekommen, als Doublesieger gegangen, Danke für über zehn Jahre“ stand auf einem Banner in der Nordkurve. „Ich werde es wohl erst zu Hause realisieren, wenn das Adrenalin runtergefahren ist. Jetzt habe ich gerade einfach genossen, wie viel Liebe und Wertschätzung man bekommen hat“, sagte er.

Trotz diverser Ungewissheiten: Wenn man sich im Klub umhört, ist selten von Sorgen und oft von Dankbarkeit die Rede. Von Vertrauen in die handelnden Personen. Sportchef Simon Rolfes und Geschäftsführer Fernando Carro sind in diesem Sommer gefordert. Das Vertrauen haben sie sich in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet. All das interessierte die vielen Fans an diesem Sonntag aber auch nur am Rande. Wichtiger war eines: Adios zu sagen, Xabi I. zu danken. Einen zweiten Xabi Alonso wird es hier nicht geben.

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