Montag, 12.Mai 2025
6.3 C
Wismar

anzeige

informationen unserer partner

city.news+

die nachrichten aus der hansestadt

Plötzlich fehlen selbst FC-Bayern-Legende Thomas Müller die Worte

Als Thomas Müller am späten Samstagabend auf dem Rasen der Allianz-Arena zum Mikrofon greift, passiert etwas Außergewöhnliches. „Radio Müller“, Deutschlands bekannteste Fußball-Frequenz, hat für Sekunden einen Sendeausfall. Thomas Müller, dem Mann, dem nie die Worte fehlen, fehlen tatsächlich die Worte. Er lässt auf sich wirken, was gerade um ihn herum passiert. Er hat zum letzten Mal ein Pflichtspiel als Fußballer des FC Bayern in seinem Wohnzimmer bestritten. Es war sein 750., eine kaum zu fassende Geschichte. Sie geht nun zu Ende. In seiner Heimat, in seinem Stadion, ist es hier und jetzt vorbei. Er schließt die Tür mit einem 2:0 gegen Borussia Mönchengladbach ab. Seine Teamkollegen bilden ein enges Spalier, die Zuschauer erheben sich.

Nach 15 Sekunden ist alles repariert. Die Frequenz wieder eingestellt, Müllers letzte Sendung aus München geht störungsfrei über den Sender. Im Kampf gegen die eigenen Emotionen an diesem Abend schreit er den Leuten erstmal sein Glück über die wiedererkämpfte Schale entgegen. Es ist seine 13., seine letzte. Nach einem lange unwürdigen Hin und Her hatte der FC Bayern seiner Legende die Sendelizenz ab diesem Sommer entzogen. In einer ersten Reaktion machte der Spieler seiner Enttäuschung darüber Luft. Er hätte die Dinge gerne anders gehabt, er hätte gerne weitergemacht. Vielleicht tut er das an einem anderen Ort. Man weiß es noch nicht.

„Ich bin auch anstrengend“

Erstmal nimmt er Abschied von jenem Ort, an dem er so viele magische Nächte erlebt, sie maßgeblich gestaltet hat. „Ja, liebe Leute“, sagte er, „wir haben alle gewusst, dass der Moment kommen wird. Für viele Menschen, auch für mich, ist es ein schwieriger Moment, aber auch ein sehr schöner“, fügte er an: „Diese Wertschätzung, die ihr mir alle gegeben habt, ist einmalig.“ Er bedankte sich „bei den Menschen, die Radio Müller über all die Jahre ertragen haben – ich bin auch anstrengend“. Aber authentisch, oft witzig, manchmal genervt.

Der Wert, den Müller für den Klub hat, war schon seit Jahren weit über seine Leistungen auf dem Platz hinausgewachsen. Müller war Schleicher, Raumdeuter, Torjäger, Pressingmonster, Radiosender und auf seine eigene Art auch ein Verbündeter von Uli Hoeneß. Wenn es mal nicht gut stand um den Klub, warf sich Müller vor den FC Bayern. Mal bellte er Reporter an oder lieferte ihnen eine Schlagzeile. Der Rekordfußballer hatte feinste Antennen, wenn es darum ging, wie man die Mannschaft schützt, ihr das gibt, was sie gerade braucht. Vor dem dramatischen Meister-Kollaps des BVB im Mai 2023 stichelte er etwa, dass man „diesem Druck“ in Dortmund erstmal standhalten müsse. Die Borussia zerbrach, Müller und der zerrissene FC Bayern jubelten.

Auch in großen Momenten war er da, aber in diesen ließ er anderen oft den Vortritt. Müller war im vergangenen Jahrzehnt der größte Rampenlicht-Typ des FC Bayern München, aber er dachte immer auch an seine herausragenden Komparsen. Sie durften glänzen, Müller dann noch abräumen.

Thomas Müller wird „brutal fehlen“

Seine Mitspieler trugen große Namen: Harry Kane, Jamal Musiala, Robert Lewandowski, Arjen Robben, Franck Ribéry, Toni Kroos oder Bastian Schweinsteiger. Es ist nur eine kleine Auswahl der prägenden Offensivspieler des Klubs. Sie alle waren vermutlich bessere Fußballer. Aber war jemals einer wichtiger? Nein. Weil Thomas Müllers Karriere eine ständige Metamorphose war. In seiner ersten vollständigen Profisaison spielte er im offensiven Mittelfeld und auf beiden Außenbahnen. Müller konnte das, obwohl er weder Spielmacher war, noch so trickreich und rasend schnell wie viele andere Flügelstürmer. Und dennoch „müllerte es“ überall. Auch als er den Stürmer gab. Müller war immer irgendwie, irgendwo zur Stelle. Hatte sich unbemerkt durchgeschlängelt. Und traf. 245 Mal! Verteilt auf 17 Jahre!

Sie werden ihn vermissen in München. Weil er auf allen Ebenen so anders war. Müller werde ihm „brutal fehlen“, als „Mannschaftskollege und auf dem Platz natürlich“, sagte etwa Kapitän Manuel Neuer. Joshua Kimmich war „traurig“, Müller werde als „Typ“ und als „Mensch fehlen“. Trainer Vincent Kompany, der die Personalie Müller sehr würdevoll durch die Saison moderiert hatte, sagte über den Wert des 35-Jährigen: „Ich weiß nicht, ob er versteht, was für einen Impact er in seiner Karriere auf das Leben von vielen Menschen hatte. Das wird für diesen Verein noch ewig andauern. Er sagt, was er denkt. Er ist immer präsent. Er ist sehr schnell mit seinen Gedanken. Mir hat dieses eine Jahr mit ihm sehr viel Spaß gemacht. Thomas ist einer wie keiner.“

„Reißt euch den Arsch auf“

Sein letztes Bundesligaspiel wird Müller am 17. Mai bei der TSG Hoffenheim bestreiten, tags darauf steigt die Meisterfeier auf dem Münchner Marienplatz. Im Sommer (14. Juni bis 13. Juli) spielt er noch die Klub-WM für die Bayern, bei denen er irgendwann noch ein „echtes“ Abschiedsspiel bekommt. Noch ist er also mittendrin und doch irgendwie längst außen vor. „So viel hatte ich gar nicht im Kopf, wenn ich ehrlich bin. Ich wusste grob, was passiert. Ich wollte Fußball spielen, das haben wird geschafft“, sagte Müller über die Gedanken vor seinem letzten Pflichtspiel in der Allianz-Arena. „Leider sind wir nicht so richtig in diesen Torflow gekommen. In der zweiten Halbzeit waren ein paar Chancen da, wo ich selber fast noch einen gemacht hätte. Fußball spielen ist das, was mir Spaß macht. Reden halten kann ich zu Hause genug.“

Aber Thomas Müller wäre nicht „Radio Müller“, wenn er einfach schweigen würde. Er redete an diesem Abend weiter und weiter. So, wie er es immer gemacht hatte. Er sprach über alles und über das große Glück, dass er in den 750 Spielen für den Rekordmeister empfand. Das sei der Fußball an sich und die Menschen. Und denen warf er zum Ende zu: „Ich habe es geliebt, der moderne Gladiator zu sein. Ich bin nicht traurig, ich freue mich auf das, was kommt – auch wenn es nicht halb so schön sein wird. Ich liebe euch alle! Macht’s es gut, Servus!“ An seine Erben appellierte er: „Reißt euch den Arsch auf, das ist was Größeres, als ihr es euch für euch selbst vorstellen könnt!“ Müller hat fertig, in München.

Kommentiere den Artikel

Bitte schreibe deinen Kommentar!
Bitte gib hier deinen Namen ein

lass' uns dir doch helfen

Mit einem Stichwort oder auch nur einem Namen findest du, wonach du suchst

Unser gesamtes Archiv mit tausenden Artikeln, Beiträgen und zahlreichen Informationen steht dir bei der Suche zur Verfügung. Dabei stehen dir alle Bereiche wie z.B. Politik, Sport, Wirtschaft oder Rostock, Schwerin, Wismar zur Verfügung.