Dienstag, 23.April 2024 | 17:41

Sorge um MV Werften: Verhandlungen zu Stellenabbau

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Der Bedarf an neuen Kreuzfahrtschiffen hatten den kränkelnden Werften in Mecklenburg-Vorpommern zu neuer Blüte verholfen. Doch es war eine kurze Blüte, beendet durch die Corona-Pandemie. Nun stehen viele Jobs auf der Kippe – und offenbar nicht nur die.

Nach der Ankündigung eines drastischen Stellenabbaus auf den MV Werften wächst in Mecklenburg-Vorpommern die Sorge um die Zukunft der drei Schiffbaubetriebe in Wismar, Rostock und Stralsund. Die Linksfraktion kündigte für die Sondersitzung des Landtags am Donnerstag einen Dringlichkeitsantrag an mit der Forderung, alle Standorte zu erhalten.

Die Stralsunder Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller forderte den Mutterkonzern Genting Hongkong auf, schnellstmöglich Transparenz zu schaffen und klar zu sagen, wie es mit den Werften weitergehen soll. Hagen Reinhold, der für die FDP im Bundestag sitzt, bezeichnete den geplanten Job-Abbau als „Katastrophe mit Ansage“. Der Fortbestand eines zwangsgeschrumpften Unternehmens sei keineswegs sicher.

Die Geschäftsführung des Werftenverbundes, der Kreuzfahrtschiffe für den schwer angeschlagenen Mutterkonzern Genting Hongkong baut, machte unterdessen deutlich, dass aus ihrer Sicht ein Arbeitsplatzabbau unumgänglich sei, um mit staatlicher Hilfe die Corona-Krise überstehen zu können. „Voraussetzung für die Gewährung von Kreditmitteln des Bundes ist die Anpassung der Personalstärke an die Auftragslage“, heißt es in einer am Mittwoch auf der Homepage verbreiteten Mitteilung.

Darin betont Werften-Chef Peter Fetten, es sei das gemeinsame Bestreben von Bund, Land, IG Metall, Betriebsräten und Geschäftsleitung, „die aktuellen Projekte erfolgreich fortzuführen und parallel die Finanzierungsbedingungen für neue Aufträge zu regeln“. Über Schließungsabsichten für einzelne Standorte drang bislang nichts nach außen.

Am Abend zuvor waren die Beschäftigten der Werften in einer Video-Botschaft über die Pläne zum Stellenabbau informiert worden. Dem Vernehmen nach stehen 1200 von insgesamt 3100 Arbeitsplätzen zur Disposition. In Kürze sollen Verhandlungen über einen sozialverträglichen Stellenabbau, einen Interessenausgleich für Betroffene und die Bildung einer Transfergesellschaft aufgenommen werden. Dem Vernehmen nach soll bis Ende März ein Sozialplan stehen.

Die IG Metall Küste will ihre Mitglieder am Donnerstag per Videokonferenz über den Stand der Gespräche informieren. „Ein Kahlschlag ist mit uns nicht zu machen“, hatte IG Metall-Bezirksleiter Daniel Friedrich angekündigt. Werftleitung und Politik seien gefordert, Perspektiven für die Beschäftigten an allen drei Standorten aufzuzeigen.

Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) nannte den angekündigte Abbau von Arbeitsplätzen bitter. „Die Sorgen der Betroffenen sind verständlich. Für die Belegschaft brauchen die MV Werften unbedingt eine Fortführungsperspektive. Daran arbeiten alle Beteiligten nach wie vor intensiv“, versicherte er. Die Fortdauer der Corona-Pandemie und damit auch der Krise der Kreuzschifffahrt mache die Sache nicht einfacher. Es werde aber nach Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven für die Beschäftigten gesucht.

Genting Hongkong hatte die MV Werften 2016 übernommen, um Kreuzfahrtschiffe für den eigenen Bedarf zu bauen. Aufgrund der Corona-Krise brachen die Kreuzfahrten jedoch weltweit weg. Weil damit eine der wichtigsten Einnahmequellen des Konzerns verloren ging, gerieten auch die Werften in Schieflage und der Bau der Kreuzfahrtschiffe ins Stocken.

Seit dem Sommer versuchen die MV Werften unter den Schutzschirm des Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes zu kommen. Es gehe um Kreditbürgschaften in Höhe von insgesamt etwa 450 Millionen Euro, hieß es. Zum Jahreswechsel war in einem ersten Schritt ein Kredit in Höhe von 193 Millionen Euro bewilligt und damit die drohende Insolvenz der MV Werften vorerst abgewendet worden.

Um weitere Mittel zu bekommen, ist aber ein tragfähiges Konzept für die Fortführung des Schiffbaus nötig, das das Unternehmen bislang aber nicht vorlegen konnte. Fachleute bezweifeln, dass es gelingt, auf dem weltweit engen Schiffbaumarkt neue Aufträge gewinnen oder auch für die Offshore-Windindustrie tätig werden zu können.

Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen äußerte sich besorgt über die Entwicklung. Er hoffe auf die Unterstützung von Bundes- und Landesregierung, um das Know-how im Schiffbau und die Arbeitsplätze zu erhalten. „Der Schiffbau in MV hat nicht nur eine lange Tradition, er ist ein Wirtschaftskern im Norden. Gerade in den vergangenen Jahrzehnten haben unsere Werften bewiesen, dass sie flexibel sind und Innovationen schnell und in hoher Qualität umsetzen können“, sagte Madsen.

Der Stralsunder Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) will sich nach eigener Aussage für einen Erhalt aller drei Werftstandorte einsetzen. Der Schiffbau gehöre zur „DNA“ von Stralsund. „Diese Tradition von fast 700 Jahren werfen wir in Stralsund ganz sicher nicht tatenlos über Bord.“ Der Kreuzfahrtmarkt werde sich entgegen gegenteiliger Meinungen wieder erholen. „Und spätestens dann werden auch die Schiffe aus Stralsund gebraucht.“

Die Vorsitzende der Linksfraktion, Simone Oldenburg, sagte, der Landtag müsse erneut auf den Erhalt aller Werftstandorte dringen und die Landesregierung dieses Ziel auch gegenüber der Leitung von Genting in den weiteren Verhandlungen durchsetzen. Zudem forderte sie von der Landesregierung, ein Alternativkonzept für die Werften vorzulegen. „Es ist ein Plan B erforderlich, falls die angestrebte Lösung mit Genting Hongkong nicht erreicht werden kann“, sagte die Oppositionspolitikerin.

Die Grünen-Politikerin Müller warf der Landesregierung Konzeptlosigkeit vor. Trotz der sich abzeichnenden Krise habe sie kein eigene Strategie für den Werftenstandort MV entwickelt. „Die blauäugige Herangehensweise des Wirtschaftsministers Harry Glawe an die Verhandlungen mit einem globalen Großkonzern wie Genting rächt sich nun für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagte sie.

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