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Viruserkrankung breitet sich aus: „Die Masern sind zurück“ – auch in Deutschland

Trockener Husten, hohes Fieber und rote Flecken auf dem ganzen Körper – ein Krankheitsbild, das längst der Vergangenheit angehören könnte. Denn gegen die hochansteckenden und potenziell tödlichen Masern gibt es seit Jahrzehnten einen einfachen, günstigen und wirksamen Schutz, die Impfung. Und dennoch: Nicht nur die USA erleben zurzeit einen massiven Masernausbruch. Auch in Europa haben sich die Fallzahlen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Jahr verdoppelt und den höchsten Stand seit 25 Jahren erreicht. „Die Masern sind zurück, das ist ein Weckruf“, mahnt WHO-Europadirektor Hans Kluge.

Auch Deutschland folgt dem Negativtrend – trotz einer 2020 eingeführten Impfpflicht gegen Masern. Vergangenes Jahr meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 645 Masern-Fälle. Das sind achtmal so viele wie noch ein Jahr zuvor (2023: 79). Und 2022 gab es sogar nur 15 Infektionen. Ein Teil der aktuell steigenden Fälle – etwa 15 Prozent – führt das RKI auf infizierte Einreisende zurück, die das Virus in Deutschland verbreiten. Aber was ist mit dem großen Rest?

„Wenn die Fälle steigen, dann ist es ein Hinweis darauf, dass die Impfungen nicht mehr konsequent durchgeführt werden“, sagt Sebastian Schmidt, Oberarzt an derPoliklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Greifswald, im Gespräch mit ntv.de. Dabei seien Impfungen die einzige Möglichkeit, eine Herdenimmunität gegen Masern zu erreichen. „Denn dann könnte sich das Virus nicht mehr ausbreiten, weil es nicht genug ansteckungsfähige Wirte findet – und würde schließlich aussterben“, erklärt der Mediziner. Doch um eine Herdenimmunität zu erreichen, brauche es eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent. Dass das zu schaffen ist, zeigen Länder wie Australien, China oder auch Südkorea. Sie sind offiziell frei von Masern.

Davon ist Deutschland allerdings noch weit entfernt. Laut Daten des RKI waren 2023 nur 87 Prozent der Kleinkinder im Alter von 15 Monaten gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) geimpft. Bei der nötigen Zweitimpfung sehen die Zahlen noch schlechter aus: Nur etwa 77 Prozent der Zweijährigen haben einen zweiten Pieks bekommen und damit den vollständigen Impfschutz gegen den Erreger.

Masern-Epidemie in Rumänien

Masern sollte man laut Schmidt nicht unterschätzen. „Sie sind eine nicht ganz ungefährliche Kindererkrankung“, mahnt der Experte. In seltenen Fällen könne es zu einer Gehirnentzündung kommen, die dauerhafte Schäden hinterlässt. Besonders gefürchtet ist die Subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), auch als Dawson-Krankheit bekannt. Es handelt sich dabei um eine seltene Form einer fortschreitenden Entzündung des Gehirns, die sechs bis acht Jahre nach einer Masern-Infektion auftritt und in der Regel tödlich endet.

Wie gefährlich eine Infektion sein kann, zeigte sich erst vor Kurzem auf tragische Weise in den USA. In Texas starb ein zuvor gesunder, ungeimpfter Sechsjähriger- der erste Masern-Todesfall in den Vereinigten Staaten seit zehn Jahren. Dabei galten Masern dort schon mal als ausgerottet. Im Jahr 2000 gab es, wenn überhaupt, nur wenige einzelne Fälle, die zum Großteil durch ungeimpfte Einreisende ausgelöst wurden. Bei Masern muss der Nachwuchs einer Bevölkerung allerdings immer durchgeimpft sein, sagt Schmidt. Tue man dies nicht, stiegen zwangsläufig die Fallzahlen.

Die Auswirkungen eines nicht ausreichenden Impfschutzes zeigen sich derzeit in Rumänien. Der WHO zufolge verzeichnete das Land vergangenes Jahr knapp 31.000 Masern-Infektionen und damit mit Abstand die meisten Fälle in ganz Europa. Die Regierung spricht längst von einer Epidemie. Hauptgrund ist eine niedrige Impfquote, die von Impfskepsis und einem fehlenden Vertrauen ins Gesundheitssystem befeuert wird.

Impfung rettet Leben

Impfgegner, die ihre Kinder nicht impfen lassen, gibt es auch in Deutschland. „Gleichzeitig gibt es aber auch eine nicht unbedeutende Zahl an Menschen, die die Impfungen einfach schleifen lassen“, gibt Schmidt zu bedenken. „Oft erfolgt die erste Impfung, die ab elf Monaten gegeben werden soll, nicht zeitgerecht.“ Dementsprechend verzögere sich auch die zweite Spritze. In dieser Zeit hat das Kind keinen ausreichenden Schutz und kann sich anstecken. „Und gerade diese jungen Kinder haben das höchste Risiko, Komplikationen zu erleiden“, sagt der Mediziner.

Lebendimpfstoff

Nun wird immer wieder versucht, die Impfung zu diskreditieren. So behauptete US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., bekannt für seine Anti-Impf-Haltung, auf Fox News, dass der Masernimpfstoff jedes Jahr Todesfälle verursache. Dem widersprechen viele Experten vehement – darunter auch Schmidt: „In den USA erfasst das Überwachungsprogramm VAERS (Vaccine Adverse Event Reporting System) Impfkomplikationen sehr gut. Wenn es Todesfälle geben würde, würden wir ja die entsprechenden Fälle dort sehen. Dem ist aber nicht so.“ Und auch Studien zeigen, wie zuletzt eine aus dem Jahr 2021: Unter 13 Millionen geimpften Kindern gab es keinen einzigen Todesfall. „Die einzige Folge, die man beobachten konnte, war in seltenen Fällen ein Mangel an Thrombozyten“, sagt der Mediziner. „Allerdings löst das die Erkrankung in doppelt so hoher Häufigkeit aus.“

Nur für eine sehr kleine Gruppe von Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann die Impfung gefährlich werden. Sie dürfen daher nicht geimpft werden. Für alle anderen ist der Pieks sicher und möglicherweise lebensrettend. Und auch immungeschwächte Kinder seien am besten geschützt, wenn ihre Umgebung durchgeimpft sei, sagt Schmidt. „Wenn Eltern, Freunde und medizinisches Personal geimpft sind, dann ist das Kind wie in einer Art Kokon geschützt und kann sich ebenfalls nicht anstecken.“

Eine 2024 im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichte Studie zeigt: Masernimpfstoffe haben zwischen 1974 und 2024 weltweit 93,7 Millionen Todesfälle verhindert.

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