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Bürgerschaft: Demokratie im Pausenmodus – oder „Same procedure as last Sitzung“ (Glosse)

Es sollte ein Abend der Entscheidung werden. Eigentlich. Die Bürgerschaft wollte einen neuen 1. Stellvertreter des Bürgermeisters wählen. Drei Kandidaten standen bereit, ein vierter – Lars Sperling – wurde kurz vor knapp aus dem Hut gezaubert. Die CDU hatte ihn wohl überzeugt und versprach Stimmen. Doch schon hier begann das Drama: Der Fraktionsvorsitzende verabschiedete sich frühzeitig wegen eines privaten Termins. Demokratie ist wichtig – aber nicht so wichtig wie der Kalender.

Die SPD wiederum sorgte für den ersten echten Knalleffekt: Sie zog ihren Kandidaten Maik Schröder zurück. So überraschend, dass die Fraktion „Bürger für Wismar“ kurz überlegte, ihn trotzdem zu wählen – falls er es sich anders überlegen würde. Schröder selbst erklärte nach der ersten von insgesamt sieben (!) Sitzungsunterbrechungen endgültig seinen Verzicht. Ein Kandidat weniger, ein Pausenfüller mehr.

Nun schien der Weg frei für die einzige verbliebene Kandidatin: Dr. Sonja Gelinek. Doch weil sie plötzlich gefährlich nah an einer Mehrheit war, griffen CDU, FDP und AfD zur letzten Waffe: der Sitzungsunterbrechung. Ein Instrument, das so zuverlässig funktioniert wie die Fernbedienung beim Tatort – Pause drücken, bis keiner mehr Lust hat.

Die AfD ließ sogar verlauten, für die Kandidatin stimmen zu wollen. Ein taktischer Schachzug, der so glaubwürdig wirkte wie ein Elfmeter in der 95. Minute – alle sehen ihn, keiner glaubt ihn.

Und so folgte Unterbrechung auf Unterbrechung. Die Geschäftsordnung macht’s möglich: Jede Fraktion darf, bis der letzte das Licht ausmacht. Ein politisches „Dinner for One“ – same procedure as last interruption. Nur dass hier nicht James stolpert, sondern die Demokratie.

Um 20.51 Uhr war es schließlich Horst Krumpen von den Linken, der die Anwesenden mit einem Antrag auf Verschiebung erlöste. Ein Akt der Gnade, könnte man sagen.

Zurück bleibt der Eindruck eines politischen Improvisationstheaters: spontane Rollenwechsel, abrupte Abgänge, eine Dramaturgie, die selbst Boulevardregisseure neidisch machen würde. Nur schade, dass es nicht um Applaus geht, sondern um Verantwortung.

Die Zuschauer erlebten an diesem Abend den Tiefpunkt einer Entwicklung, die sich schon länger abzeichnet: In der Bürgerschaft geht es längst nicht mehr um „gemeinsam“, sondern darum, Entscheidungen zu torpedieren. Die Wählerinnen und Wähler, die diese Vertreter gewählt haben, werden das vielleicht künftig kritischer sehen.

Und so bleibt am Ende nicht nur die Erkenntnis, dass drei Kandidaten verloren haben. Verloren hat auch das demokratische Verständnis jener, die gewählt wurden, um Verantwortung zu übernehmen. Am nächsten Donnerstag will man einen neuen Versuch wagen – völlig ergebnisoffen. Denn an Normalität und Bürgerverpflichtung glaubt nach diesem Abend wohl niemand mehr.

Demokratie im Pausenmodus: So sehen wir das!
Demokratie im Pausenmodus: So sehen wir das!

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