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Druck für AfD-Verbotsverfahren wächst – doch Scholz warnt vor „Schnellschuss“

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich nach der Neueinstufung der AfD durch den Verfassungsschutz gegen eine sehr schnelle Entscheidung zu einem AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen. „Ich bin gegen einen Schnellschuss“, sagte der SPD-Politiker auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover. Der Verfassungsschutz habe nun eine sehr ausführliche Begründung dafür geliefert, dass die Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Deshalb sei es richtig, dass der Verfassungsschutz seine Beobachtung der Partei nun intensiviere.

Man müsse nun diskutieren, welche anderen Konsequenzen sich aus der bestehenden Rechtslage ergeben. Scholz verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht alle Verbotsanträge gegen Parteien in der jüngeren Zeit abgelehnt habe. „Ich finde, das ist eine Sache, die man nicht übers Knie brechen darf.“

Ähnlich äußerte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser. „Ein Parteiverbotsverfahren hat aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden“, sagte die SPD-Politikerin. „Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen. Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus.“ Die neue Bewertung durch den Verfassungsschutz zeige, dass es gesetzliche Instrumente gebe, „die unsere Demokratie gegen extremistische Bedrohungen schützen“. Dazu gehörten die Beobachtung und die Bewertung durch den Verfassungsschutz, wie sie jetzt erfolgt sei.

SPD-Fraktion will „klare, gemeinsame Antwort des Rechtsstaates“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil ist ebenfalls zurückhaltend. „Ein Verbotsverfahren muss sorgfältig bedacht werden, denn die Hürden sind hoch“, sagte der SPD-Politiker am Rande des Kirchentags in Hannover. Er hoffe auf eine sachliche Diskussion, die vor allem zwischen dem künftigen Bundesinnenminister und dessen Kollegen in den Ländern zu führen sein werde.

„Wir wissen, welche politische Brisanz hinter einem solchen Verfahren steht, wir wissen auch, dass die AfD derzeit sehr viele Anhänger in unserer Gesellschaft hat“, sagte Weil. „Andererseits ist das Konzept der wehrhaften Demokratie in Deutschland gerade darauf gerichtet, dass eine Verfassung sich verteidigen können muss.“

Die SPD im Bundestag fordert derweil konkrete Konsequenzen aus der Einstufung durch den Verfassungsschutz. Die Fraktion tritt für eine „klare, gemeinsame Antwort des Rechtsstaates“ auf die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch ein. „Für mich bestätigt sich einmal mehr, dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast.

Söder: „Keine Dämonisierung, aber eben auch keine Relativierung“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte festgestellt, dass die AfD Bevölkerungsgruppen von gleichberechtigter Teilhabe ausschließen wolle und gesichert rechtsextremistisch sei. Mast bezeichnete die Entscheidung als „eindeutig“. „Das ist ein klares verfassungsrechtliches Signal.“ Die AfD verfolge systematisch das Ziel, „die politische und gesellschaftliche Ordnung unseres Landes zu zersetzen“, so die SPD-Politikerin.

„Das umfassende und unabhängige Gutachten untermauert das mit belastbaren Beweisen“, sagte Mast zu der Expertise des Bundesamts, auf der die Entscheidung fußt. „Mit unseren Koalitionspartnern stimmen wir uns zum weiteren Umgang mit der AfD ab“, sagte auch Mast mit Blick auf CDU und CSU. Auch der SPD-Generalsekretär erklärte im „Spiegel“, die neue Regierung aus SPD und Union müsse sich zum weiteren Vorgehen mit der AfD nun „umgehend beraten“.

CSU-Parteichef Markus Söder will nach der Einstufung der Bundes-AfD am Kurs im Kampf gegen die Rechtspopulisten festhalten. „Das Ergebnis des Verfassungsschutzes ist ein finaler Weckruf. Die AfD ist insgesamt rechtsextremistisch“, sagte Söder. „Damit ist klar: Für Feinde der Demokratie kann es null Toleranz geben. Die Brandmauer steht weiterhin“, fügte er hinzu. Die CSU habe einen klaren Kurs: „Keine Dämonisierung, aber eben auch keine Relativierung.“ Seine Partei wolle die AfD weiter inhaltlich stellen und durch gutes Regieren entlarven.

Lindholz für Ausschluss von Parlamentsämtern

Dem stimmt Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, zu. Der CDU-Politiker bezeichnet die AfD im „Spiegel“ als Hauptgegner aller demokratischen Parteien. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz sei eine „sehr deutliche fachliche Bewertung, mit der alle demokratischen Kräfte umgehen müssen“. Wüst sagte weiter: „Der AfD die Existenzgrundlage zu entziehen, ist zentrale Aufgabe aller Demokraten. Das gelingt am besten dadurch, indem die Probleme der Menschen gelöst werden – sachlich, fundiert und wirkungsvoll.“ Er sei überzeugt, dass die neue Bundesregierung diese Aufgabe beherzt annehmen werde.

Bundestagsvizepräsidentin Andrea Lindholz stellt sich als konkrete Konsequenz der Einstufung den Ausschluss der Partei von wichtigen Bundestagsämtern vor. „Als gesichert rechtsextremistische Gruppierung ist die AfD keine Partei wie jede andere“, sagte Lindholz. Deshalb sollte sie auch nicht so behandelt werden – vor allem nicht im Parlament. „Eine Wahl von AfD-Vertretern in repräsentative Funktionen wie das Bundestagspräsidium oder Ausschussvorsitze halte ich nun für kaum mehr denkbar“, fügte sie hinzu. Denn eine Vertretung des Parlaments durch Abgeordnete einer Partei, die die freiheitliche demokratische Grundordnung missachte, würde dem Ansehen des Bundestages massiv schaden.

An die Adresse der Mitglieder der AfD-Fraktion sagte die Innenexpertin: „Jeder AfD-Abgeordnete muss sich vielmehr nun entscheiden, ob er zu unserer Grundordnung steht und aus der Partei austritt oder ob er prominenter Teil einer extremistischen Bestrebung sein will.“

Deutliche Rufe nach Verbotsverfahren

SPD-Vize Serpil Midyatli geht in ihrer Forderung einen deutlichen Schritt weiter. „Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was wir schon vorher wussten: Wo Rechtsextremisten drin sind, steht es jetzt auch drauf.“ Für sie sei klar: „Das Verbot muss kommen.“ Das ganze Verfahren müsse weiter in der nötigen Sorgfalt, belastbar und ohne Fehler vorbereitet werden. „Gute Umfragewerte und Wahlergebnisse hin oder her: Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben unsere Demokratie genau deshalb wehrhaft gemacht. Damit Rattenfänger wie die alten Nazis damals und die neuen heute unser Land nicht noch einmal in den Abgrund stürzen.“

Dem stimmt der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer zu. „Diese Regierung kann ein Verbotsverfahren beantragen“, sagte Türmer dem „Stern“. „Sobald sich die neue Regierung gebildet hat, muss dieses Thema auf den Kabinettstisch.“ Er mahnte, den „rechtsextremen Nährboden“ sehr schnell trockenzulegen. „Das Vorgehen muss nun klar sein“, forderte Türmer: „Konservative Kräfte müssen damit stoppen, diese Partei wie jede andere zu behandeln und sie zu legitimieren.“ Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge sagte dem Magazin: „Der Verfassungsschutz bestätigt, was wir im Parlament schon lange sehen konnten. Als Abgeordnete sind wir meiner Meinung nach nun umso mehr verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft wird.“

Auch CDU-Politiker Marco Wanderwitz fordert die Beantragung eines Verbotsverfahrens. „Spätestens jetzt müssen alle drei Antragsberechtigten beim Bundesverfassungsgericht, also Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag, zeitnah ein Verbotsverfahren initiieren“, sagte er der „Rheinischen Post“. Das Offensichtliche sei nun „höchstbehördlich testiert“ worden. „Eine wehrhafte Demokratie muss eine wirkmächtige rechtsextreme Partei vom Spielfeld nehmen, ohne Wenn und Aber“, betonte Wanderwitz. Der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete ist Initiator eines Verbotsantrages, der aber im Bundestag nicht mehr zur endgültigen Abstimmung gekommen ist.

Die Linksfraktion im Bundestag will laut ihrer Chefin Heidi Reichinnek „alles dafür tun“, dass ein Verbotsverfahren gegen die AfD auf den Weg gebracht wird. „Alle, die für eine Normalisierung der AfD geworben haben und es weiterhin tun, stärken damit Rechtsextreme und gefährden die Demokratie“, sagte Reichinnek nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch. Sie mahnte: „Allen muss klar sein: Eine Demokratie überlebt eine Machtbeteiligung von Rechtsextremen wie der AfD nicht.“ Gemeinsam müsse jedes Mittel zum Schutz der wehrhaften Demokratie genutzt werden. Niemand könne akzeptieren, „dass eine gesichert rechtsextremistische Partei unsere Demokratie von innen bekämpft und zerstört“.

Banaszak ermahnt CDU

Grünen-Parteichef Felix Banaszak fordert Konsequenzen für die AfD, spricht jedoch nicht explizit von einem Parteiverbotsverfahren. „Seit Jahren beobachten wir eine absurde Gleichzeitigkeit: Während sich die AfD immer weiter und offensichtlicher radikalisiert, normalisiert sich der Umgang mit ihr in Teilen der Parteienlandschaft“, sagte Banaszak den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In diesem Bundestagswahlkampf sei die AfD zu häufig behandelt worden, als sei sie eine Partei wie jede andere -„das Ergebnis ist bekannt“, so der Grünen-Politiker. „Und immer größere Teile der CDU denken offen oder verdeckt über Kooperation nach. Das muss aufhören.“ Der Grünen-Politiker spielt etwa auf Unionsfraktionsvize Jens Spahn an. Der CDU-Politiker hatte eine heftige Kontroverse ausgelöst mit dem Vorschlag, mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien.

Banaszak appellierte an die demokratischen Parteien, der nun erfolgten Einstufung des Verfassungsschutzes Rechnung zu tragen: „Es ist die Aufgabe aller Parteien der demokratischen Mitte, Klarheit im Umgang mit der AfD zu finden: Keine Zusammenarbeit, keine falsche Annäherung in Rhetorik und Programm und keine Relativierung des antidemokratischen Charakters“. Es reiche nicht, die Wehrhaftigkeit der Demokratie nur zu beschwören. „Wir müssen diese Wehrhaftigkeit auch leben.“

Die Grünen der Hamburgischen Bürgerschaft sprechen sich explizit für ein Parteiverbotsverfahren aus. Der Verfassungsschutz bestätige nun, was längst offensichtlich sei, sagte Fraktionschefin Sina Imhof: „Wer Bevölkerungsgruppen systematisch abwerte, demokratische Institutionen angreife und die historische Verantwortung Deutschlands missachte, „gehört nicht in Parlamente – sondern vor das Bundesverfassungsgericht“, sagte sie. „Rechtsextreme Parteien müssen verboten werden – und die AfD ist eine davon.“

FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann argumentiert in die gleiche Richtung. Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei überfällig gewesen, sagte sie. „Die AfD ist nicht einfach eine Protestpartei, sondern eine rechtsextremistische Bewegung, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zerstören will“, so Strack-Zimmermann. Es sei gemeinsame Verantwortung, dieser Gefahr entschieden entgegenzutreten – politisch, gesellschaftlich und rechtlich. Nötig seien eigene politische Antworten und nicht ein Hinterherlaufen hinter den Themen der AfD.

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