Kein Messi, kein Neymar, kein Mbappé – aber dafür endlich der lang ersehnte Henkelpott! Ganz ohne Superstars, aber dafür mit unwiderstehlichem Angriffsfußball und dem überragenden Teenager Désiré Doué hat Paris Saint-Germain seine lange Jagd auf den „Heiligen Gral“ im Wohnzimmer des FC Bayern historisch klar beendet. Die silbern funkelnde Champions-League-Trophäe wandert nach dem berauschenden 5:0 (2:0)-Finaltriumph über das hilflose Inter Mailand erstmals an den Eiffelturm. Das Wahrzeichen der französischen Hauptstadt leuchtete passend dazu Samstagnacht in den Vereinsfarben Blau-Rot – und auch der Emir von Katar jubelte über den Coup seines Milliardenprojekts.
Der Triumph war historisch: Der Sieg war der höchste Erfolg in einem Endspiel der Königsklasse überhaupt. Paris überflügelte damit Rekordsieger Real Madrid, den FC Bayern und die AC Mailand, die jeweils mit vier Toren Unterschied triumphiert hatten. 1960 bezwang Real mit dem vierfachen Torschützen Ferenc Puskás und dank dreier Treffer von Alfredo Di Stéfano die bedauernswerte Frankfurter Eintracht 7:3. 4:0 gewann der FC Bayern bei seinem ersten Triumph 1974 im Wiederholungsspiel gegen Atlético Madrid mit je zwei Toren von Gerd Müller und Uli Hoeneß.
Der AC Mailand gelang dieses Kunststück gleich zweimal: 1989 mit Doppelpacks von Ruud Gullit und Marco van Basten gegen Steaua Bukarest und 1994 gegen den FC Barcelona, als Daniele Massaro doppelt sowie Dejan Savicevic und Marcel Desailly trafen.
Wirbelwind Doué macht alles klar
Der frühere Dortmunder Achraf Hakimi (12.), der 19-jährige Wirbelwind Doué (20./63.), Chwitscha Kwarazchelia (73.) und Senny Mayulu (86.) bescherten PSG eine Siegprämie von 6,5 Millionen Euro, insgesamt scheffelte der ohnehin stinkreiche Klub in der Königsklasse 150 Millionen. Den unbezahlbaren „Pott mit den großen Ohren“ durfte Kapitän Marquinhos in den Nachthimmel stemmen.
Während der dreimalige Sieger Inter mit dem ein- und verletzt ausgewechselten Nationalspieler Yann Bisseck die vierte Finalniederlage betrauert, vertrieb das mit hungrigen Talenten runderneuerte Paris die bösen Geister seiner einzigen Endspielteilnahme: 2020 war der FC Bayern in Lissabon zu gut für Thomas Tuchels Team (0:1).
Neben gehobener Sport-Prominenz und Hollywood-Star Tom Cruise hatten es auch Bayern-Vertreter zum Finale geschafft, darunter Alphonso Davies, der sogleich beklagte: „Das sollten wir sein.“ Auch wenn der Traum vom „Titel dahoam“ schon im Viertelfinale gegen Inter (1:2/2:2) geplatzt war, hatte sich die Stadt herausgeputzt für ihr fünftes Champions-League-Finale. Im Olympiapark stieg für 23.000 Anhänger das offizielle Fanfest, in der Allianz Arena feierten 64.500 Zuschauer eine große Fußballparty samt Gastspiel der US-Rocker von Linkin Park.
PSG fällt über Inter her
Auf dem Platz ließ es Paris krachen – ganz nach Luis Enriques Vorsatz. „Wir wollen Spaß haben und die unglaubliche Atmosphäre genießen“, sagte der Trainer und betonte: „Wir haben die Mentalität.“ Seine Elf schnürte den Gegner mit ihrem aggressiven Pressingstil am Sechzehner ein, Mailand versuchte vergeblich, mit italienischer Verteidigungskunst und Fünferkette dagegen zu halten.
Ein Zuckerpass des genialen Spielmachers Vitinha, am Mittwoch an gleicher Stelle mit Portugal deutscher Halbfinal-Gegner im Final Four der Nations League, riss den Abwehrverbund in Stücke. Der angespielte Doué legte quer, Hakimi musste nur noch einschieben. Wegen seiner Vergangenheit bei Inter hob der Torschütze entschuldigend die Hände, statt zu jubeln.
Das übernahmen die PSG-Fans, auch in Paris: Bei den French Open platzte der Torschrei mitten in einen Ballwechsel beim Match von Novak Djokovic. Im 500 m Luftlinie entfernten Prinzenpark feierten 38.000 Daheimgebliebene. In München in der Nordkurve zündeten die Ultras Freudenfeuer, ihre Lieblinge setzten das Motto der Choreo („Zusammen sind wir unschlagbar“) nahtlos fort.
Von Inter kommt gar nichts
Ousmane Dembélé hebelte mit einer sehenswerten Verlagerung die Inter-Abwehr aus, Federico Dimarco fälschte Doués Schuss unhaltbar für den früheren Münchner Torwart Yann Sommer ab. Schon nach dem 2:0 gab es kaum Zweifel: Nach Liverpool, Aston Villa und Arsenal würde Inter kapitulieren müssen.
Wer in der zweiten Halbzeit einen Mailänder Sturmlauf erwartet hatte, sah sich getäuscht. Nichts schien übrig von der wilden Vehemenz, der sogar der FC Barcelona erlegen war. Wenn Inter doch mal durchbrach, warfen sich Marquinhos und die anderen mutig in die Schüsse. Dieses PSG kann auch kämpfen – noch so ein großer Unterschied zur Ära der dort gescheiterten Superstars. Doué machte erneut nach feinem Pass von Vitinha den Deckel drauf, Kwarazchelia und Mayulu legten wie im Rausch noch nach.