Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin ist eine der wichtigsten Pendlerstrecken in ganz Deutschland – und ab Donnerstag für ein Dreivierteljahr komplett dicht. Dann beginnt die lange erwartete Generalsanierung der Strecke. Die Folgen bekommen nicht nur die täglich rund 30.000 Fernreisenden zwischen den beiden Metropolen zu spüren.
Die Vollsperrung der 280 Kilometer langen Schienentrasse hat auch erhebliche Auswirkungen auf den Regionalbahnverkehr in Mecklenburg-Vorpommern. Wer täglich zur Arbeit nach Hamburg pendelt, dort shoppen gehen möchte oder zu Urlaubsreisen aufbricht, muss Umwege über Bad Kleinen und Lübeck in Kauf nehmen oder in Busse im Ersatzverkehr umsteigen. Beides ist mit längeren Fahrzeiten verbunden als bisher üblich. Die Regionalzüge von Schwerin nach Berlin fahren statt über Ludwigslust über Güstrow, was laut Bahn die Fahrzeiten aber nicht verlängert.
Bahn setzt bei Generalsanierungen auf Vollsperrung
Mit der vordringlichen Modernisierung besonders hoch frequentierter Verbindungen will die Bahn Kapazitäten und Pünktlichkeit erhöhen. Überfüllte Züge und Verspätungen sind Anlass für Dauerkritik. Für die sogenannten Generalsanierungen werden die betroffenen Strecken komplett gesperrt, um schneller fertig zu werden. Nach der Riedbahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim und der derzeit laufenden Modernisierung der Strecke Emmerich-Oberhausen in NRW ist die Strecke Hamburg-Berlin das dritte Großprojekt.
Doch schon vor Baubeginn zeichnet sich ab, dass nicht alle notwendigen Modernisierungen zwischen Berlin und Hamburg erfolgen können. Ursprüngliche Pläne wurden eingedampft, weil Geld, Zeit oder Material fehlt. Und mit den Angeboten im Ersatzverkehr sind längst nicht alle zufrieden. Kritik insbesondere an den reduzierten Direktverbindungen und zum Teil wesentlich längeren Reisezeiten kam unter anderem vom Fahrgastverband pro Bahn und auch aus dem Schweriner Verkehrsministerium. Das ist wichtig zu wissen:
Wie lange dauert die Sperrung?
Die Strecke Hamburg-Berlin wird vom Nachmittag des 1. August bis zum 30. April gesperrt bleiben. In drei verschiedenen Baubereichen werden dann umfassende Sanierungsarbeiten durchgeführt, mit denen die marode Strecke wieder auf Vordermann gebracht werden soll. Laut Bahn werden 165 Kilometer Gleise komplett erneuert, weitere 61 Kilometer instand gesetzt und 249 Weichen eingebaut. 28 Bahnhöfe sollen renoviert, sechs neue Stellwerke errichtet und 19 modernisiert werden. Die Umstellung auf komplett digitale Leit- und Sicherungstechnik wurde auf später verschoben.
Was bedeutet die Sperrung für den Fernverkehr?
Fahrgäste im Fernverkehr müssen aufgrund der Sperrung Umleitungen und längere Fahrzeiten in Kauf nehmen. Die Fernzüge werden über Stendal und Uelzen umgeleitet. Im Schnitt brauchen sie dann 45 Minuten länger. Zudem gibt es nur noch eine Verbindung pro Stunde statt bisher alle 30 Minuten. Die Halte in Ludwigslust und Wittenberge entfallen.
Die EC-Züge zwischen Hamburg und Prag starten und enden in Berlin. Die – gerade in der Ferienzeit gut gebuchten – Fernzüge über Hamburg nach Rostock und zum Teil weiter nach Rügen werden über Lübeck und Bad Kleinen umgeleitet und brauchen rund 60 Minuten länger. In Schwerin werden in der Bauzeit keine Fernzüge halten.
Was ist mit dem Regionalverkehr?
Deutlich umständlicher wird es mit Beginn der Sperrung für Fahrgäste im Regionalverkehr. Zahlreiche Zugverbindungen entfallen ganz oder werden nur auf Teilstücken angeboten. Die Regionalzüge von Schwerin nach Berlin fahren laut Bahn – bei fast gleichbleibender Fahrzeit – statt über Ludwigslust über Güstrow. Dafür werden die Züge von Rostock nach Berlin über Lalendorf umgeleitet und halten nicht in Güstrow.
Auf 28 Verbindungen sollen Ersatzbusse eingesetzt werden. Das Liniennetz reicht von Seegefeld bei Berlin bis Hamburg und bindet unter anderem auch Schwerin, Ludwigslust, Hagenow und Boizenburg in MV mit ein. Nach Erhebungen der Bahn nutzten aus Westmecklenburg bis zu 4000 Menschen täglich die Züge nach Hamburg und Berlin.
Die Ersatzbusse werden betrieben von Ecovista, einer Bietergemeinschaft mittelständischer Busunternehmen. Diese hat eigenen Angaben zufolge 208 neue Busse bestellt, mit WLAN und USB-Steckdosen an Bord. Da zum Start der Bauarbeiten aber noch nicht alle verfügbar seien, kämen zunächst auch ältere Busse zum Einsatz, hieß es.
Wie kommt man aus MV nach Hamburg?
Pendler zwischen Schwerin und Hamburg gelangen mit den Ersatzbussen nicht mehr direkt bis zum Hamburger Hauptbahnhof. Sie müssen am Stadtrand an den U-Bahn-Stationen Steinfurther Allee oder Bergedorf umsteigen, manche schon in Schwarzenbek. Die Busse auf der Schnellbus-Linie X1 verkehren im Zweistundentakt. Das reicht nach Einschätzung von pro Bahn angesichts der zu erwartende Fahrgastnachfrage nicht aus. Der Verband fordert einen 60-Minuten-Takt für die Schnellbusse. Außerdem gibt es Verbindungen mit Umsteigen in Ludwigslust.
Wer mit dem Regionalzug von Rostock nach Hamburg fährt, muss in Bad Kleinen und Lübeck umsteigen, hat dort in der Regel aber jeweils direkten Anschluss. Für Reisende aus Wismar ergeben sich öfter Wartezeiten in Bad Kleinen.
Schnellbusse verkehren auch von Ludwigslust direkt und ohne Zwischenhalt zum Hamburger Hauptbahnhof. Allerdings ist dies auf wenige Fahrten pro Tag beschränkt und die Nutzung an den Erwerb einer Fernfahrkarte gebunden. Als Ersatz für den Regionalbahnverkehr fahren Busse von Ludwigslust über Hagenow nach Hamburg Steinfurther Allee. Außerdem gibt es Verbindungen mit Umsteigen in Hagenow und mehreren Zwischenstopps unter anderem in Vellahn und Boizenburg.
Die Deutsche Bahn versicherte, die Fahrgastzahlen in den Bussen genau zu erfassen und bei hoher Auslastung gegebenenfalls weitere Busse einzusetzen.
Und wie steht es um den Güterverkehr?
Auch der ist betroffen. Ein Teil der Züge könne ebenfalls über Uelzen und Stendal umgeleitet werden, teilt die Bahn mit. Weiterhin seien Umleitungen über Rotenburg (Wümme) und Verden (Aller) vorgesehen. Diese würden im weiteren Fahrtverlauf über Hannover und Magdeburg in Richtung Berlin geleitet. Für die Transportunternehmen bedeutet das Verzögerungen von mehreren Stunden.