Schüler, die nicht gut genug Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen, sind nach Aussage von MV-Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) der Hauptgrund für die weiter gestiegene Zahl von Schulabgängern ohne anerkannten Abschluss im Nordosten in diesem Jahr. Die Lehrergewerkschaft GEW stimmte dieser Analyse zu – und forderte deutlich mehr Anstrengungen des Landes für diese Gruppe.
Die Schulen im Land seien nicht genügend ausgestattet, um diese Schülerinnen und Schüler gut in das Bildungssystem zu integrieren, kritisierte die GEW-Landesvorsitzende Ulrike von Malottki. Die Gewerkschafterin, die als Lehrerin arbeitet, forderte eine Verringerung des Unterrichtsausfalls und bessere Integrationslösungen. Dazu gehörten mehr Lehrkräfte, auch für Deutsch als Zweitsprache.
MV auf Platz 11 der 16 Bundesländer
Laut Ministerin Oldenburg liegt Mecklenburg-Vorpommern mit einem Anteil von 10,4 Prozent Schulabgängern in diesem Jahr, die nicht einmal die Berufsreife in der Tasche haben, auf Platz 11 im Vergleich der 16 Bundesländer. „Diese Zahlen können uns keineswegs zufriedenstellen“, räumte sie ein. Die Ministerin verwies auf einen Maßnahmenplan, der allerdings keine spezifisch auf Migrantenkinder ausgerichteten Aktionen nennt.
Gewerkschafterin fordert Fokus auf zwei Gruppen
Malottki fehlen in Oldenburgs Maßnahmen zwei Blickwinkel. „Zum einen sind es weit überwiegend männliche Jugendliche, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Evaluierte Maßnahmen, die sich speziell an Jungen richten, fehlen in diesem Programm“, sagte sie.
Zum anderen zeige der deutlich höhere Anteil von Jugendlichen nicht deutscher Herkunft in der Gruppe der Abgänger ohne Abschluss, dass die Ressourcen der Schulen nicht ausreichten, sie gut zu integrieren. Bundesländer, die besser abschnitten, erlebten dieselbe Zuwanderung wie Mecklenburg-Vorpommern.
Oldenburgs Maßnahmen
Der Maßnahmenplan umfasst Oldenburg zufolge eine Stärkung des Mathematik-, Deutsch- und Englischunterrichts. Projekte wie „Produktives Lernen“ und „Berufsreife dual“, die Schule und Arbeitsleben verknüpfen, sollen Jugendlichen mit Schulproblemen helfen.
Außerdem gibt es Oldenburg zufolge ein neues Frühwarnsystem, wenn die Gefahr besteht, dass ein Schüler nicht versetzt wird. Schulen informierten daraufhin die Eltern und berieten sie zu Fördermöglichkeiten. Ein freiwilliges zehntes Schuljahr soll Jugendlichen helfen, die mehr Zeit zum Lernen brauchen. Startchancenschulen – früher Brennpunktschulen genannt – bekommen zusätzliches Geld.
Speziell für Migrantenkinder
Auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur zu besonderen Maßnahmen für zugewanderte Schüler teilte Oldenburg mit, dass künftig speziell ausgebildete interkulturelle Coaches für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten von den Schulen gebucht werden könnten. Sie hätten in der Regel selbst eine Migrationsgeschichte sowie eine pädagogische oder therapeutische Qualifikation und sollten Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache und ihre Familien unterstützen.
Neuankömmlinge bekommen den Angaben zufolge zunächst in Vorklassen intensiven Deutsch-Unterricht, ehe sie in die Regelklassen integriert werden. Parallel gebe es das Angebot, über die sogenannte digitale Landesschule weiter Deutsch zu lernen. Überdies gebe es – ebenfalls digital – Alphabetisierungskurse für Schüler, die keine Schriftsprache könnten.
Höchster Schulabbrecher-Anteil der letzten zehn Jahre
Die 10,4 Prozent Schulabgänger ohne anerkannten Abschluss in diesem Jahr sind laut Statistischem Amt des Landes der höchste Wert in den letzten zehn Jahren. Von den 14.616 Absolventen erhielten demnach 1.516 entweder gar keinen Abschluss (909) oder nur den Förderschulabschluss (607).
Diese Jugendlichen können nicht nahtlos eine Berufsausbildung beginnen. Dazu braucht es mindestens die Berufsreife. Diese erhielten laut Statistikamt dieses Jahr 2.032 Schulabgänger in MV. Weitere 6.034 Mädchen und Jungen schafften die Mittlere Reife. 5.034 bestanden die Prüfungen zum Abitur oder zur Fachhochschulreife.