Wer beim Spazierengehen auf Lenin, Trump oder Honecker trifft, ist höchstwahrscheinlich in einem kleinen Waldstück im Landkreis Rostock unterwegs. Hinter einem Gutshaus in Klein Strömkendorf, unweit der Ostsee, säumen lebensgroße Figuren umstrittener politischer Zeitgenossen aus Vergangenheit und Gegenwart einen etwa einen Kilometer langen Wanderpfad.
„Unterm Strich ist es ein Pfad, an dem sich einige politische Persönlichkeiten befinden, über deren Schalten und Walten man streiten kann“, sagt die Initiatorin des Lehrpfads, Marita Gronau. Das unterstreicht auch der inoffizielle Name dieses Weges: „Arschlochwandelweg“, prangt es unübersehbar auf einem Schild zu Beginn des Pfads. Im Baugenehmigungsverfahren sei dieser Name aber nicht durchgegangen, erklärt Gronau. Offiziell heißt der Weg daher „Lehrpfad der unholdigen Personen“.
„Schnapsidee ohne Alkohol“
„Es war eine Schnapsidee ohne Alkohol“, erinnert sich Gronau an die Entstehung des Projekts. 2016 errichtete Gronau gemeinsam mit ihrem Mann die erste Bronzefigur im Wald hinter ihrem Gutshaus – Lenin mit einladender Geste in Richtung des Betrachters. In den Folgejahren entstanden weitere Skulpturen von Honecker, Chruschtschow, Bush, Trump und Erdoğan – alle in skurrilen Posen. Trump wird etwa provokant mit Föhnfrisur und ausgestrecktem Mittelfinger dargestellt.
Die Begegnungen mit den Figuren sollen die Spaziergänger zum Nachdenken anregen, wie Gronau sagt. Die Wanderer sollen sich kritisch mit den Unholden auseinandersetzen und sich ihre Meinung bilden, sagt sie.
Alle Figuren wurden nach Gronaus Entwürfen in einer polnischen Gießerei angefertigt. Die letzte Bestellung, eine Figur von Wladimir Putin, lässt allerdings schon etwa zweieinhalb Jahre auf sich warten.
Aus Angst vor Repressalien weigert sich die Gießerei ein Abbild des russischen Präsidenten zu fertigen. „Sowohl der Gießer als auch der Künstler tun sich im Moment sehr schwer und haben gesagt, ich könne mir wünschen, was ich will, aber der Herr Putin sei zurzeit ein No-Go“, berichtet Gronau.
„Wald nicht mit negativer Aura überfrachten“
Viele weitere Figuren sollen laut Gronau aber nicht mehr hinzukommen. Platz sei zwar ausreichend vorhanden, „aber ich möchte den Wald auch nicht mit negativer Aura überfrachten“, sagt sie. Auch die tierischen Bewohner des Waldes sollten weiterhin genug Raum behalten.
Der Vorsitzende des Wanderverbandes MV, Eckart Krüger, blickt mit gemischten Gefühlen auf den Lehrpfad. „Man soll ruhig auch über Persönlichkeiten nachdenken, die in der Geschichte nicht so eine positive Rolle gespielt haben, da bin ich nicht dagegen“, sagt er.
Verband: Auch regionale Persönlichkeiten würdigen
Krüger ziehe es jedoch vor, Menschen zu würdigen, die etwa einen wichtigen Beitrag zu Forschung oder Entwicklung geleistet haben. Der Deutsche Wanderverband habe dazu passend in diesem Jahr angeregt, sich auf Wanderungen mit dem Leben und Wirken bedeutender regionaler Persönlichkeiten auseinanderzusetzen.
Verkehrt findet Krüger den Lehrpfad der Unholde aber nicht – zumal er mitten in der Natur liegt. „Wenn man das Wandern auch auf diese Art ein bisschen mehr propagiert, dann bin ich voll dafür“, sagt er.