Samstag, 27.April 2024 | 02:27

Ärger im NSU-Untersuchungsausschuss: „Es fehlen Akten“

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Fehlende Akten für den Ausschuss und Ermittlungspannen beim NSU-Komplex. Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern steht einmal mehr im Fokus der Kritik.

Wieder Ärger mit dem Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern: Am Freitag wurde bekannt, dass ein Geheimdienstler zur Vorbereitung seiner Zeugenaussage im Landtags- Untersuchungausschuss zu Umtrieben der rechten Terrorzelle NSU im Nordosten Akten eingesehen hat, die dem Ausschuss bisher nicht zur Verfügung gestellt wurden. Das berichtete die SPD-Obfrau Susann Wippermann. Dabei habe der Ausschuss sämtliche Aktenbestände angefordert. Wippermann sprach von einem Eklat.

Der Obmann der AfD, Bert Obereiner, haute in die gleiche Kerbe: Es sei schon seltsam, dass der zu Untersuchende entscheide, welche Akten für die Untersuchung benötigt würden, erklärte er. Bisher sei überhaupt nur etwa die Hälfte der bestellten Akten beim Ausschuss eingetroffen.

Mit Ex-Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte am Freitag ein prominenter Zeuge im Untersuchungsausschuss aus. Er nahm die Ermittler im NSU-Komplex gegen Kritik in Schutz: Es sei Spuren in alle Richtungen nachgegangen worden und es sei tragisch, dass alle jahrelang den falschen Spuren hintergejagt seien, sagte Caffier.

Ein Versäumnis sei allerdings gewesen, dass der Verfassungsschutz zwei unabhängige Hinweise aus dem Jahr 2002 nicht verknüpft habe. Dabei geht es einerseits um eine Spende von 2500 Euro an das rechtsextreme Magazin „Der weisse Wolf“, das vom späteren NPD-Landtagsabgeordneten in MV, David Petereit herausgegeben wurde. Andererseits geht es um einen kurzen Dank in dem Magazin an den NSU. Es ist die erste bekannte Erwähnung des Nationalsozialistischen Untergrunds überhaupt.

Ob die Verknüpfung der beiden Informationen zu einer früheren Enttarnung der Terrorzelle geführt hätte, sei aber offen, sagte Caffier. Schließlich habe damals niemand etwas mit dem Kürzel NSU anfangen können. Der SPD-Abgeordnete Julian Barlen meinte hingegen: „2002 wurde seitens des Landesverfassungsschutzes durch handfeste Fehler definitiv die Chance vertan, eins und eins zusammenzuzählen, um den NSU ergreifen zu können.“

Eine Verfassungsschutz-Mitarbeiterin erklärte in ihrer Zeugenaussage im Anschluss, dass gerade die Ausgabe des „Weissen Wolfs“ mit der Danksagung an den NSU nicht bei der Behörde in Mecklenburg-Vorpommern vorgelegen habe. Die nachrichendienstlichen Beschaffer hätten sie nicht besorgen können. Auf den Hinweis von Ausschussmitgliedern, dass der Verfassungsschutz in Brandenburg die Ausgabe gehabt habe und die Kollegen in MV auch darüber informiert habe, sagte die Zeugin, das habe sie nicht gewusst.

Der NSU hat acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin in Deutschland getötet. 2011 nahmen sich von dem Trio Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt das Leben, um der drohenden Festnahme zu entgehen. Beate Zschäpe wurde wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. In Mecklenburg-Vorpommern war 2004 in Rostock der Türke Mehmet Turgut erschossen worden. Außerdem gehen zwei Banküberfälle in Stralsund 2006 und 2007 auf das Konto des NSU.

Die Ermittlungen ergaben Caffier zufolge keine Erkenntnisse, dass Menschen in Mecklenburg-Vorpommern den NSU wissentlich und aktiv bei ihren Terrortaten unterstützt hätten. Der Obmann der Linken im Untersuchungsausschuss, Peter Ritter, bezweifelt das: Es habe sich in anderen Vernehmungen am Freitag herauskristallisiert, dass es bereits 1998 Kontakt zwischen dem abgetauchten NSU-Kern-Trio und dem Neonazi-Anwalt Hans Günter Eisenecker in Mecklenburg-Vorpommern gegeben haben müsse. „Diese Informationen wurden dem Ausschuss bislang vorenthalten, angeforderte Akten fanden nicht den Weg in den PUA“, so Ritter.

Die Verfassungsschutzabteilung in Mecklenburg-Vorpommern stand schon wiederholt in der Kritik. Kürzlich musste Abteilungsleiter Reinhard Müller seinen Hut nehmen. Anlas war, dass seine Behörde Informationen über den Attentäter Anis Amri vom Berliner Breitscheidplatz nicht an den Bundesverfassungsschutz weitergegeben hatte.

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