Ein in den USA für die Akuttherapie von Migräne zugelassenes Medikament kann auch Vorboten der Kopfschmerzattacken bessern. Das schließt ein überwiegend US-amerikanisches Forschungsteam aus einer nachträglichen Auswertung der Zulassungsstudie zum Wirkstoff Ubrogepant. Demnach bessert dieses Präparat bei vielen Menschen Symptome der sogenannten Prodromalphase – darunter Lichtempfindlichkeit, Müdigkeit und Schmerzen in der Halsgegend.
Ubrogepant ist in den USA seit einigen Jahren zur Akuttherapie von Migräne zugelassen, in Europa jedoch nicht. Der Wirkstoff zählt zur recht neuen Klasse der Gepante oder CGRP-Rezeptor-Antagonisten (Calcitonin gene-related peptide). Sie blockieren den Rezeptor für einen wichtigen Botenstoff, der an Migräne beteiligt ist.
Aus dieser Gruppe sind in Europa zurzeit zwei Präparate zugelassen, in Deutschland wird davon vor allem Atogepant zur Prophylaxe von Migräne genutzt.
Teils beträchtliche Prodromal-Symptome
Spezielle Therapien gegen die sogenannte Prodromalphase gibt es bislang nicht. Diese Phase – nicht zu verwechseln mit der Auraphase – geht einer Migräneattacke in etwa 30 bis 50 Prozent der Fälle um Stunden bis Tage voraus. Sie ist verbunden mit teils beträchtlichen Beschwerden wie etwa Müdigkeit, Denk- und Konzentrationsproblemen, Schmerzen im Halsbereich und erhöhter Empfindlichkeit gegen Licht und Lärm.
In der ursprünglichen Zulassungsstudie für den Wirkstoff hatten die Teilnehmer bei Verdacht auf eine nahende Migräneattacke entweder 100 Milligramm Ubrogepant eingenommen oder aber ein Scheinpräparat. Dabei wurde geprüft, ob der Wirkstoff die Kopfschmerzen verhindert. In den USA wurde Ubrogepant 2019 zugelassen.
Deutliche Hinweise auf Besserung
Nun konzentrierte sich das Forschungsteam, darunter mehrere Mitarbeiter des Herstellers Abbvie, bei rund 500 der ursprünglichen Teilnehmer darauf, ob die Einnahme des Mittels in den ersten Stunden auch die Vorboten einer Migräne besserte, die häufig selbst gravierend ausfallen.
Dafür liefert die Studie deutliche Hinweise. So besserte sich oder verschwand zwei Stunden nach der Einnahme die Lichtempfindlichkeit bei 19,5 Prozent jener Teilnehmer, die den Wirkstoff bekamen. In der Placebo-Gruppe waren es 12,5 Prozent. Gut 27 Prozent waren ab 3 Stunden nach Einnahme des Ubrogepant kaum noch ungewöhnlich müde, mit Placebo waren es knapp 17 Prozent.
„Eine der ersten guten Studien, die Prodromi-Besserung zeigt“
Rund 29 Prozent hatten ab Stunde 3 nach Einnahme des Wirkstoffs eine deutliche Besserung der Nackenschmerzen, im Vergleich zu rund 19 Prozent der Kontrollgruppe. Und ab Stunde 4 waren mit dem Wirkstoff knapp 51 Prozent weniger geräuschempfindlich, unter Placebo waren es knapp 36 Prozent.
„Das sind klinisch bedeutsame Effekte“, sagt Christian Maihöfner, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Fürth, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Bei manchen Menschen seien diese Mittel ausgesprochen wirksam. Bei der Veröffentlichung handele es sich zwar um die erweiterte Analyse einer Studie, deren primärer Endpunkt das Verhindern des Migränekopfschmerzes selbst war.
Die Untersuchung sei aber gut durchdacht und sehr gründlich, betont der Sprecher der Kommission Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Es handele sich um eine der ersten guten Studien, die eine Besserung der Prodromal-Symptome zeigte. Möglicherweise gelte das auch für andere Gepante.
Ein Paradigmenwechsel deutet sich an
Nebenwirkungen wie Übelkeit, Müdigkeit oder Schwindel traten selten auf, schwere Nebenwirkungen blieben ganz aus. Nun seien Studien geboten, die sich speziell auf das Verhindern von prodromalen Symptomen fokussierten, schreibt das Team.
Das betont auch Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel und ebenfalls nicht an der Studie beteiligt. Insgesamt deute sich ein „Paradigmenwechsel“ an: „Weg von der ausschließlichen Akutbehandlung in der Schmerzphase und hin zur gezielten Intervention im Frühstadium der Migräne. Ob sich dieser Ansatz auch regulatorisch durchsetzen wird, hängt von weiteren, methodisch robust angelegten Studien ab.“