Halbkreise vor Finnland, plötzliches Verschwinden von den Bildschirmen – die Bewegungen eines russischen Öltankers auf der Ostsee wirken wie aus einem Spionageroman. Doch für den Verband Deutscher Reeder (VDR) ist es bittere Realität. Immer häufiger werden die Navigationssysteme von Schiffen gestört, das obligatorische Automatische Identifikationssystem (AIS) fällt aus oder liefert manipulierte Daten.
Die Methoden sind bekannt: „Jamming“ sorgt für Totalausfälle, „Spoofing“ verändert Positionsdaten unbemerkt. Für die Crews bedeutet das eine zusätzliche Belastung, die im Ernstfall zu Kollisionen führen kann. Zwar gibt es Radar und traditionelle Navigation, doch wenn Schiffe nicht mehr sichtbar sind oder falsche Positionen angezeigt werden, steigt das Risiko erheblich.
Besonders brisant: Viele der auffälligen Fälle betreffen Schiffe aus Russlands Schattenflotte. Experten zählen fast 1.400 Tanker und Frachter dazu, die genutzt werden, um Sanktionen zu umgehen oder militärische Güter zu transportieren. Analysen zeigen, dass diese Schiffe weltweit doppelt so häufig Lücken bei der Datenübertragung haben wie andere.
Der VDR sieht hinter den Angriffen nicht nur technische Spielereien, sondern gezielte politische Strategie. Es gehe darum, Verunsicherung zu erzeugen und Lieferketten zu stören. Die Deutsche Marine spricht von einer ernsthaften Herausforderung, hält sich zu den Ursachen aber bedeckt.
Kritisch bleibt: Die Politik reagiert bislang zu zögerlich. Während die Reeder Alarm schlagen, fehlt eine klare europäische Antwort auf die digitale Sabotage. Die Ostsee wird damit zum Testfeld geopolitischer Machtspiele – und die Handelsschifffahrt zum Spielball.