Trotz des Beschlusses des Berliner Verwaltungsgerichts hält Innenminister Alexander Dobrindt an seiner Anweisung fest, Asylsuchende bei Grenzübertritt zurückzuweisen. „Es gibt keinen Grund aufgrund einer Gerichtsentscheidung, die heute hier erfolgt ist in diesem Einzelfall, unsere Praxis zu verändern“, sagte er auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Bundesinnenministerium. „Wir bleiben dabei.“
Im zugrunde liegenden Fall ging es um zwei Männer und eine Frau aus Somalia, die mit dem Zug aus Polen nach Deutschland reisten. Sie wurden am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert. Nachdem die Somalier ein Asylgesuch geäußert hatten, wurden sie noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung laut Gericht mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Dagegen wehrten sich die Betroffenen per Eilverfahren. Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar.
Dobrindt sieht in diesem Urteil jedoch eine Einzelfallentscheidung und keinen Beschluss zur generellen Rechtslage. „Wir halten an unserer Rechtsauffassung fest“, sagte der CSU-Politiker deshalb weiter. Zudem strebe er ein sogenanntes Hauptsacheverfahren an, um endgültige Klarheit über die rechtlichen Gegebenheiten zu erlangen. Er zeigte sich überzeugt, dass ihm dann „deutlich Recht zugesprochen“ werde.
Im jetzt entschiedenen Eilverfahren gab es seinen Angaben zufolge wenig Aussagen über die rechtliche Zulässigkeit seiner Anweisung. Das Gericht verlangte jedoch ausführlichere Begründungen für die Zurückweisungen. Dem wolle der Minister nachkommen. Ob die Asylsuchenden dafür allerdings erst in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht werden müssten, sagte Dobrindt nicht.
Er führte weiter aus, dass die Somalier im konkreten Fall mehrmals versuchten, nach Deutschland einzureisen. Seinen Angaben zufolge hatten sie es bereits am 2. und am 3. Mai probiert, ohne ein Asylgesuch vorzubringen. Dies hätten sie erst beim dritten Versuch am 9. Mai getan. „Man sieht an genau so einem Beispiel auch, wie schwierig die Situation inzwischen ist, wie komplex sie ist und wie, ich würde mal sagen, auch dysfunktional die Situation des ganzen Asylsystems inzwischen geworden ist“, sagte Dobrindt.
Dobrindt hatte am 7. Mai, wenige Stunden nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister, eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, künftig sollten auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler Gruppen gelten.
Unionspolitiker springen Dobrindt bei
Auch Unionspolitiker wollen vorerst an den vom Berliner Verwaltungsgericht gerügten Zurückweisungen von Asylsuchenden festhalten. „Die Zurückweisungen müssen fortgesetzt werden“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm von der CDU. „Wir werden die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin natürlich genau prüfen, klar ist aber auch, dass es Einzelfallentscheidungen ohne allgemeine Wirkung sind“, so Throm. Diese Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz gegenüber den drei Antragstellern ändere nichts daran, dass das Ziel richtig bleibe: „Wir werden illegale Migration steuern und unsere Grenzen schützen.“
Der geschäftsführende Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Thomas Silberhorn von der CSU, sagte den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Dass die Zurückweisung an der Grenze vor Gericht landet, ist keine Überraschung.“ Schließlich sei die Frage, wie die Dublin-Verordnung anzuwenden sei, bereits seit zehn Jahren strittig. Durch das neue Vorgehen an den deutschen Binnengrenzen könne dies nun höchstrichterlich geklärt werden. Bis dahin bestehe aus seiner Sicht keine Veranlassung, direkte Zurückweisungen generell einzustellen.
Zwischen dem 8. Mai und dem 1. Juni wurden nach Dobrindts Angaben 2850 Menschen an den deutschen Grenzen zurückgewiesen. In 179 Fällen sei ein Asylgesuch gestellt worden. In 138 dieser Fälle habe es eine Zurückweisung gegeben, 41 Fälle hingegen hätten zu den vulnerablen Gruppen gehört.