Beim diesjährigen Kranichzug steht ein großer Teil der Ankünfte an den Rastplätzen der Vorpommerschen Küste offenbar noch bevor. Bislang seien dort deutlich weniger Kraniche eingetroffen als in den Vorjahren, sagte Günter Nowald, Leiter des kürzlich in Günz neu eröffneten Internationalen Nabu-Erlebniszentrums Kranichwelten. Am vergangenen Wochenende wurden an den verschiedenen Schlafplätzen gerade mal 23.000 Kraniche gezählt. „Das ist richtig wenig.“
Zum Vergleich: Im Vorjahr seien es 35.000 und im Jahr davor (2023) sogar 61.000 Kraniche gewesen. „Die große Frage ist, wo sind die alle?“, sagte Nowald. Es sei bekannt, dass in Südschweden noch etwa 9.000 Kraniche auf dem Rastplatz Hornborga See stünden, die auf jeden Fall noch über die Ostsee flögen und an der Vorpommerschen Küste Rast machten. Aktuelle Daten über Kraniche, die möglicherweise noch in Polen seien, gebe es aber nicht.
Destination: Extremadura in Spanien
Mit Blick auf die Gebiete in Schweden vermutet Nowald, dass die starken Stürme aus südwestlichen Richtungen ein Grund für die Verspätung sein könnten. Bei solchen Wetterlagen machten sich die Kraniche ungern auf den Weg über die Ostsee. Es sei deshalb möglich, dass Kraniche neben dem Hornborga See noch in anderen Gebieten Schwedens in „Lauerstellung“ stünden und demnächst vielleicht die Ostsee überquerten.
Die vorpommersche Ostseeküste ist eines der größten Rastgebiete der Kraniche in Europa. Die 120 bis 130 Zentimeter großen Tiere fressen sich dort ihre Energiereserven für den Weiterflug an. Auf ihrer Reise geht es zunächst weiter nach Niedersachsen und dort überwiegend in die Diepholzer Moorniederung, dann nach Nordostfrankreich in ein Gebiet zwischen Metz und Nancy, weiter in den Südwesten und über die Pyrenäen bis hin zur Region Extremadura in Westspanien.
Nicht jeder Kranich fliegt nach Süden
Allerdings machen sich nicht alle Kraniche auf den Weg gen Süden. 10.000 bis 30.000 Tiere verbringen den Winter in Deutschland. Das sind aber meist Kraniche mit weniger „Zugmotivation“, die das ganze Jahr über in Deutschland leben und nicht aus Schweden oder Polen angereist sind.
Ein Grund: Auch in hiesigen Rastregionen gibt es im Winter kaum länger geschlossene Schneedecken und die Vögel finden auch hier Nahrung. Sollte sich im Laufe des Winters die Schneedecke dennoch über längere Zeit schließen, treten die Kraniche kurzfristig die „Winterflucht“ an und ziehen weiter in Regionen, in denen sie freie Äcker finden. Kraniche fressen während der Rast- und Zugzeit täglich im Durchschnitt 200 bis 300 Gramm Körner.
Kranichwelten in Günz
Am Himmel machen sie sich durch ihre eindringlichen Rufe schon weithin bemerkbar. Sie fliegen in Formation, die eine „1“, ein „V“ oder auch ein „W“ mit zwei Spitzen nachbilden. Vorneweg fliege immer ein erfahrenes Alttier mit ausreichender Kondition, so Nowald. Die Formation erfolgt in schräg versetzter Linie, so dass die Kraniche Energie sparen und durch die Flügelschläge die bessere Luftströmung zum Auftrieb nutzen.
Information zu den Kranichen, die auch „Vögel des Glücks“ genannt werden, gibt es im Anfang September eröffneten Erlebniszentrum Kranichwelten in Altenpleen im Ortsteil Günz. Der 5,3 Millionen Euro teure Neubau ersetzt das bisherige Nabu-Kranichzentrum in Groß Mohrdorf (Landkreis Vorpommern-Rügen), das seit seiner Eröffnung 1996 die erste Anlaufstelle für Informationen rund um den Kranich war.