Freitag, 17.Mai 2024 | 21:25

Oft gegessen, weil so praktisch: Darum sind hochverarbeitete Lebensmittel selten gesund

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Die Instantsuppe enthält 22 Zutaten, beim Nudelfertiggericht stehen sogar 24 Inhaltsstoffe auf der Verpackung.

Ob Tiefkühlpizza oder Geflügelnuggets, Würstchen, Kekse, Protein-Kraftriegel, Cerealien oder salzige Snacks – hochverarbeitete Lebensmittel mit oft vielen zugefügten Zusatzstoffen landen in Deutschland sehr häufig im Einkaufskorb.

Die Gruppe der auch Ultra-Processed Foods (UPF) genannten Lebensmittel ist vielfältig, es gibt ein enormes Angebot von unterschiedlicher Qualität. Ein hoher Konsum kann Experten zufolge gesundheitliche Risiken mit sich bringen.

Mit der kostenlosen App “Open Food Facts”, einer Online-Crowdsourcing-Datenbank, lässt sich erkennen, ob es sich bei einem Produkt um ein hochverarbeitetes Lebensmittel handelt, es gibt Informationen etwa zu Zutaten oder auch Nährwerten. Dazu wird der Barcode des Produkts mit der Kamerafunktion gescannt.

Typischerweise enthalten die Produkte viel Zucker, Salz, ungünstige Fette und Zusatzstoffe wie Farbstoffe, Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel. Darüber hinaus können Weichmacher aus den Plastikverpackungen in die Nahrungsmittel übergehen. Hingegen sieht es bei den wichtigen Mineral- und Ballaststoffen sowie Vitaminen oft mau aus.

Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) handelt es sich um Lebensmittel und Getränke, bei deren Herstellung die eingesetzten Rohstoffe einem umfangreichen industriellen Verarbeitungsprozess unterzogen wurden. Der jüngste DGE-Ernährungsbericht vom Dezember 2023 sieht einen Zusammenhang zwischen einem hohem Verzehr solcher UPFs bei Erwachsenen und Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht und Adipositas oder auch Typ-2-Diabetes.

Allerdings müsse differenziert werden, betont Mitautorin Bettina Hieronimus vom Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Es gebe eine gewaltige Spannbreite: Zu der UPF-Gruppe gehören nicht nur ungesunde Dosengerichte, Kekse, Süßwaren oder Junk Food mit geringem Nährwert, aber vielen Kalorien. “Auch ein Salat-Mix kann in der gängigen Nova-Skala in die höchste Verarbeitungsstufe rutschen, nur weil im Dressing ein Bindemittel enthalten ist”, schildert Hieronimus ein Beispiel. Die Nova-Skala teilt Lebensmittel nach dem Grad ihrer Verarbeitung ein und reicht in vier Stufen von “unverarbeitet” bis zu “hochverarbeitet”.

Ein veganes Schnitzel sei als hochverarbeitet einzustufen, die Datenlage lasse derzeit aber noch keine Schlüsse zu gesundheitlichen Auswirkungen zu, sagt Hieronimus. Viele Anbieter setzten gerade hier auf natürliche Zutaten. “Wir sind bei den UPFs noch am Anfang, müssen auf teilweise veraltete Daten zurückgreifen und brauchen viel mehr Forschung.” So sei unter anderem noch nicht klar, warum sich bestimmte Faktoren gesundheitlich negativ auswirken können.

Nach Angaben der DGE dominieren stark verarbeitete Lebensmittel vor allem in Ländern mit hohen Einkommen immer stärker. Sie verdrängten mehr und mehr eine Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln und frisch zubereiteten Speisen. In Deutschland machten sie nach der letzten Nationalen Verzehrstudie Anfang der 2000er Jahre rund die Hälfte der gesamten Energiezufuhr aus. Aktuellere Zahlen gibt es nicht, es wird von einer zunehmenden Tendenz ausgegangen.

Beim Griff ins Lebensmittelregal sollte man genau auf die Zutatenliste der Produkte schauen, rät Christiane Seidel vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Als Faustregel gelte: “Je kürzer die Zutatenliste, desto besser.” Auch hochverarbeitete Lebensmittel, die mit Vorteilen wie “proteinreich” oder “zuckerarm” beworben würden, seien nicht automatisch gesund. “Es kommt drauf an, was in der Gesamtschau drin ist.” Ungeklärt sei, welche Schadstoffe aus den Verpackungen womöglich ins Lebensmittel übergehen können.

Vor allem aber sieht Seidel den breiten Einsatz von Zusatzstoffen kritisch. Man kenne hier längst nicht alle womöglich negativen Folgen, es bestehe Forschungsbedarf. Ernährungswissenschaftlerin Hieronimus sagt ähnlich, es würden zwar nur zugelassene Stoffe eingesetzt. Aber wie sich deren Mischung gesundheitlich auswirke – Stichwort “Cocktail-Effekt” – sei noch ungewiss.

UPF-Produkte sind praktisch überall erhältlich, meist erschwinglich, lange haltbar und verzehrfertig oder nur aufzuwärmen, wie Harald Seitz vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) in Bonn erläutert. Die UPFs seien schmackhaft, bequem und zeitsparend. Zur Schattenseite gehöre: Das Lebensmittel verliere mit jedem Verarbeitungsschritt einen Teil seiner Nährstoffe und gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffe. “Je weniger verarbeitet und frischer ein Lebensmittel ist, desto besser”, unterstreicht Seitz.

UPFs sind aus Sicht der Hersteller profitabel, weil laut DGE häufig – wenn auch nicht immer – billige Zutaten verwendet werden. Nachfrage und Absatz sind groß. Nährwertangaben des Nutri-Score auf den Verpackungen könnten Verbraucherinnen und Verbrauchern hilfreiche Hinweise geben, sagt Bettina Hieronimus. Nicht oder wenig verarbeitete Lebensmittel seien vorzuziehen. Und: “Selber kochen ist am besten.”

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